Die Deutschen
Soldatenräten!«
Hunderttausende strömen unterdessen durch die Stadt.
Gegen 17 Uhr drängen revolutionäre Arbeiter, darunter Frauen, an ihrer Spitze Karl Liebknecht, auf das Schloß zu. Von einem kleinen Kraftwagen aus verkündet Liebknecht unter allgemeinem Jubel: »Der Tag der Revolution ist gekommen. Wir haben den Frieden erzwungen. Der Friede ist in diesem Augenblick geschlossen. Das Alte ist nicht mehr. Die Herrschaft der Hohenzollern, die in diesem Schloß jahrhundertelang gewohnt haben, ist vorüber. In dieser Stunde proklamieren wir die freie sozialistische Republik Deutschland.«
Wenig später dringt eine große Menschenmenge in das Schloß, dessen militärische Besatzung sich ebenso wie die dort untergebrachte starke Schutzmannschaft kampflos ergibt.
Plötzlich öffnet sich das Fenster des Balkons, aus dem Kaiser Wilhelm ii . beim Ausbruch des Krieges seine denkwürdige Ansprache hielt. Eine rote Decke wird darüber gehängt, und Liebknecht erscheint auf dem Balkon, um ein zweitesmal zu sprechen. Am Schluß seiner Rede fordert er die Massen auf, die Hand zum Schwur auf die freie sozialistische Republik Deutschland zu erheben. Am Mast für die Kaiserstandarte steigt die rote Fahne empor. Um die sechste Abendstunde ist Unter den Linden plötzlich Maschinengewehrfeuer zu vernehmen. Das Schloß ist im weiten Umkreis von Soldaten abgesperrt, die die andrängenden Massen zurückhalten. Von allen Seiten bewegen sich Autos mit Bewaffneten zum Schloß. Ein Teil der Soldaten versucht, sich Einlaß in den Marstall zu erzwingen, wo sich Offiziere verbarrikadiert haben. Die Soldaten verlangen von der Wache, daß die Türe zu einem bestimmten Zimmer geöffnet wird. Da die Wache sich weigert, werden zwei Handgranaten gegen die Türe geworfen. Das ist der Beginn eines Kampfes, der bis in die späteren Abendstunden andauert. Es gibt Tote und Schwerverletzte. Gegen Abend werden Kanonen aufgefahren.
Am Abend des 9. November verbreitet der Vorstand der spd über das Wolffsche Telegraphenbüro folgende Verlautbarung: »Die Sozialdemokratische Partei hat der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei angeboten, eine gemeinsame Regierung unter beiderseitiger voller Gleichberechtigung zu bilden. Sie hat sich dabei von dem Bestreben leiten lassen, in diesen ernsten Tagen über jeden Gegensatz hinwegzusehen, damit die große deutsche Freiheitsbewegung rasch und glücklich unter Vermeidung aller Gewalttätigkeit und Ausschreitungen zum Ziele geführt werden kann. Von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, die ihrerseits Haase, Liebknecht und Barth als Mitglieder der gemeinsamen Regierung vorschlägt, sind eine Reihe von Bedingungen gestellt worden, die aus dem nachfolgenden Antwortschreiben der Sozialdemokratischen Partei zu entnehmen sind.
Berlin, 9. November, 8 Uhr abends
»An den Vorstand der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei.
Von dem aufrichtigen Wunsch geleitet, zu einer Einigung zu gelangen, müssen wir Ihnen unsere grundsätzliche Stellung zu Ihren Forderungen klarlegen. Sie fordern:
1. Deutschland soll eine sozialistische Republik sein.
Antwort: Diese Forderung ist das Ziel unserer eigenen Politik. Indessen hat darüber das Volk und die konstituierende Versammlung zu entscheiden.
2. In dieser Republik soll die gesamte Exekutive, Legislative und die Jurisdiktionelle Macht ausschließlich in den Händen von gewählten Vertrauensmännern der gesamten werktätigen Bevölkerung und der Soldaten sein.
Antwort: Ist mit diesem Verlangen die Diktatur eines Teiles einer Klasse gemeint, hinter dem nicht die Volksmehrheit steht, so müssen wir die Forderung ablehnen, weil sie unseren demokratischen Grundsätzen widerspricht.
3. Ausschluß aller bürgerlichen Mitglieder aus der Regierung.
Antwort: Diese Forderung müssen wir ablehnen, weil ihre Erfüllung die Volksernährung erheblich gefährden, wenn nicht unmöglich machen würde.
4. Die Beteiligung der Unabhängigen gilt nur für drei Tage als ein Provisorium, um eine für den Abschluß des Waffenstillstandes fähige Regierung zu schaffen.
Antwort: Wir halten ein Zusammenwirken der sozialistischen Richtungen mindestens bis zum Zusammentritt der konstituierenden Versammlungen für erforderlich.
5. Die Ressortminister gelten nur als technische Gehilfen des eigentlichen und entscheidenden Kabinetts.
Antwort: Dieser Forderung stimmen wir zu.
6. Gleichberechtigung der beiden Leiter des Kabinetts.
Antwort: Wir sind für die Gleichberechtigung aller
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