Die Deutschen
Soldaten bleiben weiter in Bewegung. Gegen 13 Uhr stürmen sie das Gefängnis Moabit und befreien die dort inhaftierten Gefangenen, unter ihnen den Organisator der Spartakusgruppe, Leo Jogiches.
Auch das Militärgefängnis in der Lehrter Straße muß geöffnet werden. Und das Strafgefängnis in Tegel wird gestürmt: 200 Militärgefangene werden befreit.
Zur gleichen Zeit bilden die SPD-Führer einen eigenen »Arbeiter- und Soldatenrat von Berlin«. Ihm gehören neben Otto Braun, Eugen Ernst, Friedrich Ebert und Otto Wels zwölf sozialdemokratische Vertrauensleute aus den Betrieben an. Keiner von ihnen hat an den Massendemonstrationen teilgenommen. In einer Sonderausgabe des »Vorwärts« proklamiert dieser Rat den Generalstreik, der bereits seit den Morgenstunden praktisch verwirklicht worden ist. Ebert und seine Genossen versuchen auf diese Weise, die revolutionäre Bewegung, die ihnen entglitten ist. in den Griff zu bekommen.
Aber die Massen folgen den Parolen der Revolutionären Obleute. Gegen mittag 13 Uhr bewegt sich ein Zug von einigen Tausend Mann, hauptsächlich Soldaten in voller Bewaffnung, dessen erste Reihe mit Handgranaten ausgerüstet ist, von der Dirksenstraße und vom Alexanderplatz aus zum Polizeipräsidium und besetzt die Zugänge zu dem Gebäude mit Maschinengewehren. Gegen die Fenster werden einige Schüsse abgegeben. Vier Vertreter der Demonstranten, unter ihnen ein Funktionär der uspd, der Arbeiter Ernst Eichhorn, begeben sich in das Gebäude und verlangen vom Polizeipräsidenten von Oppen, daß die gesamte Schutzmannschaft die Waffen niederlege. Eichhorn berichtet über die weiteren Vorgänge:
»Die wachsenden Volksmassen auf den Straßen, ihre begreifliche Erregung hatten der Polizei nicht nur den letzten Rest von Mut, sondern auch die Besinnung genommen. Das böse Gewissen, die Erinnerung an die früheren Attacken gegen die Berliner Arbeiter muß bei ihr eine wilde Furcht vor Vergeltung erzeugt haben, denn Schutzleute und Offiziere rissen sich, so schnell das nur gehen wollte, die Säbel und Revolver vom Leib, warfen sie auf einen rasch anwachsenden Haufen; die Polizei ist nicht eigentlich entwaffnet worden, sie hat sich selbst entwaffnet. Die Polizei ist auch nicht vertrieben worden, aus eigenem Antrieb entfernte sie sich, so rasch das bei den das Gebäude umdrängenden Massen nur gehen wollte, aus dem Präsidium. Im großen und ganzen blieb die Polizei von den Volksmassen unbehelligt, diese strömten nur durch die Tore über den Hof und nahmen die Polizeiwaffen bis zum letzten Gurt und zur letzten Revolvertasche an sich.«
Auch hier werden die politischen Gefangenen – es sind 650 – in Freiheit gesetzt. Der Arbeiter Ernst Eichhorn übernimmt die Funktion des Polizeipräsidenten von Berlin.
In den ersten Nachmittagsstunden erscheinen Abgesandte der Arbeiter- und Soldatenräte in den Räumen des Wolffschen Telegraphen-Büros und nehmen es in Beschlag. Die Eingänge werden kontrolliert, nur Personen mit Ausweisen erhalten Zutritt. Ab 15 Uhr steht der Nachrichtendienst dieses Büros unter der Vorzensur des Arbeiter- und Soldatenrates.
Vertreter der Spartakusgruppe unter Führung Hermann Dunckers besetzen im Laufe des Nachmittags die Gebäude des kriegsbegeisterten, chauvinistischen »Berliner Lokalanzeigers«. Den im Sitzungssaal anwesenden Redakteuren erklärt Duncker: »Meine Herren, das Blatt hat sich gewendet. Ihr Blatt muß sich auch wenden! Sie verstehen, daß eine siegreiche Revolution eine konterrevolutionäre Presse nicht dulden kann.« In der Redaktion des »Berliner Lokalanzeigers« geben Hermann Duncker und Ernst Meyer noch am selben Abend die erste Nummer der Zeitung »Die rote Fahne« heraus.
Der Arbeiter- und Soldatenrat besetzt die Räume des Reichsmarineamtes und des Waffen- und Munitionsbeschaffungsamtes. Vor dem Hause und in den Büros werden Posten mit aufgepflanzten Bajonetten aufgestellt. Es wird erklärt, daß diese Maßnahme zum Schutz des Waffen- und Munitionsamtes getroffen sei.
Weiter werden besetzt: das Oberkommando und das Haupttelegraphenamt.
Friedrich Ebert bietet der uspd an, in die Regierung einzutreten und drei Ministerkandidaten zu benennen. »Auch Liebknecht?« fragt ein uspd -Mann. Ebert antwortet: »Wenn Sie wollen, auch Karl Liebknecht. Er soll uns angenehm sein.« Den ganzen Nachmittag beraten die Fraktionen der spd und der uspd im Reichstag. Liebknecht: »Alle Exekutive, alle Legislative, alle richterliche Gewalt bei den Arbeiter- und
Weitere Kostenlose Bücher