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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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sich der Kaiser an sie wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm.
    Der Reichskanzler aus Berlin am Telefon: »Ich muß meine Entlassung nehmen, die Monarchie ist nicht mehr zu retten, wenn die Abdankung nicht im Augenblick eintrifft.«
    Der Kaiser befiehlt Herrn von Hintze, von seiner halben Abdankung Kenntnis zu geben.
    Schulenburg erklärt, man solle genau formulieren, ehe der Kaiser unterschreibe.
    Zehn Minuten später meldet sich die Wilhelmstraße wieder: »Es handelt sich um Minuten!‹«
    Schulenburg: »Eine so wichtige Entschließung kann nicht in wenigen Minuten gefaßt werden. Seine Majestät hat den Entschluß gefaßt, er wird im Augenblick schriftlich formuliert und in einer halben Stunde in den Händen der Reichsregierung sein.«
    Gleichzeitig melden Kuriere und Telefone dem Reichskanzler, daß riesige Marschkolonnen der Arbeiter und Soldaten aus den Fabrikvierteln in das Zentrum der Stadt vorstoßen. Es ist absehbar, wann die Massen vor dem Reichskanzlerpalais stehen werden.
    Da entschließt sich Prinz Max von Baden in seiner Eigenschaft als Reichskanzler, den Rücktritt des Kaisers als vollendeten Entschluß bekanntzugeben.
    Er formuliert:
    »Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thronverzicht des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfs wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassunggebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volkes, einschließlich der Volksteile, die ihren Eintritt in die Reichsgrenzen wünschen sollten, endgültig festzustellen.« Um die Mittagsstunde wird die W.T.B.-Depesche in den Straßen Berlins bekannt. Fast gleichzeitig wird dem Reichskanzler eine Abordnung der Sozialdemokratischen Partei unter Führung ihres Vorsitzenden Friedrich Ebert gemeldet.
    Ebert erklärt: »Damit Ruhe und Ordnung gewahrt werden, haben unsere Parteigenossen uns beauftragt, dem Herrn Reichskanzler zu erklären, daß wir es zur Vermeidung von Blutvergießen für unbedingt erforderlich halten, daß die Regierungsgewalt an Männer übergeht, die das volle Vertrauen des Volkes besitzen. Wir halten es deshalb für nötig, daß das Amt des Reichskanzlers und das des Oberkommandierenden in den Marken durch Vertrauensmänner unserer Partei besetzt wird.
    Wir haben in dieser Sache sowohl unsere Partei als auch die Partei der Unabhängigen Sozialdemokraten geschlossen hinter uns. Auch die Truppen sind für uns gewonnen. Ob die Unabhängigen in die neue Regierung eintreten wollen, darüber sind sie sich noch nicht einig; falls sie sich dazu entschließen, müssen wir wünschen und verlangen, daß sie aufgenommen werden. Wir haben auch nichts gegen die Aufnahme von Vertretern der bürgerlichen Richtung; nur müßten wir die ausgesprochene Mehrheit in der Regierung behalten. Darüber wäre noch zu verhandeln.«
    Der Reichskanzler fragt Ebert, ob die Parteiführer den Willen und die Macht hätten, zu verhindern, daß die Bewegung in die Bahn der Gewalttätigkeit hinübergleite, und ob sie gewährleisten könnten, daß die Ruhe ungestört bliebe, wenn nicht geschossen würde.
    Philipp Scheidemann, der noch bis vor wenigen Minuten kaiserlicher Staatssekretär war, antwortet:
    »Sämtliche Garnisonen und Regimenter von Groß-Berlin sind zu uns übergegangen. Wir kommen soeben aus dem Reichstag, wo Abgesandte aus allen Regimentern uns davon vergewissert haben; auch von den Lübbener Jägern, die man als besonders zuverlässig herangezogen hat.«
    Daraufhin erklärt der Reichskanzler: »Ich habe dem Kaiser bereits vorgeschlagen, daß im Reichstag ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der die Wahlen zu einer verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung ausschreibt. Diese Versammlung würde dann entscheiden, wie Deutschland künftig regiert werden soll.«
    Ebert: »Mit dem Gedanken dieser Nationalversammlung könnten wir uns einverstanden erklären.«
    Staatssekretär Haußmann: »Wenn diese Versammlung sofort einberufen werden sollte, inmitten der revolutionären Bewegung, so würde sie den heftigsten Wahlkampf entfesseln und kein richtiges Bild geben.«
    Ebert: »Darüber muß man nachdenken.«
    Der

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