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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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Reichskanzler zieht sich mit seinen Staatssekretären zur Verständigung zurück. Wenig später werden Ebert und die übrigen Mitglieder der Abordnung dazugebeten.
    Prinz Max von Baden: »Herr Ebert, sind Sie bereit, den Posten des Reichskanzlers anzunehmen?«
    Ebert: »Das ist ein schweres Amt. Aber ich werde es übernehmen.«
    Staatssekretär Solf: »Sind Sie bereit, die Regierung innerhalb der Verfassung zu führen?«
    Ebert: »Ja.«
    Solf: »Auch innerhalb der monarchischen Verfassung?«
    Ebert: »Gestern hätte ich diese Frage unbedingt bejaht, heute muß ich mich erst mit meinen Freunden beraten.«
    Prinz Max von Baden: »Nun müssen wir die Regentschaftsfrage lösen.«
    Ebert: »Dazu ist es zu spät.«
    Friedrich Ebert übernimmt das Reichskanzleramt mit einer Proklamation, die sofort gedruckt und in den Straßen Berlins verteilt wird: »Der bisherige Reichskanzler Prinz Max von Baden hat mir unter Zustimmung der sämtlichen Staatssekretäre die Wahrnehmung der Geschäfte des Reichskanzlers übertragen. Ich bin im Begriff, die neue Regierung im Einvernehmen mit den Parteien zu bilden und werde über das Ergebnis der Öffentlichkeit in Kürze berichten. Die neue Regierung wird eine Volksregierung sein. Ihr Bestreben wird sein müssen, dem deutschen Volke den Frieden schnellstens zu bringen und die Freiheit, die es errungen hat, zu befestigen!
    Mitbürger! Ich bitte Euch dringend: Verlaßt die Straßen. Sorgt für Ruhe und Ordnung!«
    Aber die Arbeiter denken gar nicht daran, die Straßen zu verlassen. Ebert, Scheidemann und einige ihrer Genossen gehen unterdessen in den Speisesaal des Reichstages zum Essen. Es gibt nur eine wäßrige Kartoffelsuppe. Zwischen Wilhelmstraße und Reichstagsgebäude marschieren Tausende und Abertausende. Plötzlich stürmen Arbeiter und Soldaten in den Speisesaal und geradewegs auf den Tisch Scheidemanns zu. Wild schreien sie durcheinander: »Scheidemann, kommen Sie gleich mit! Philipp, du mußt herauskommen und reden!« Scheidemann wehrt ab, aber dann geht er doch mit. Man eilt zum Lesesaal; von einem der Fenster aus will er zu den Massen sprechen – bevor Liebknecht ihm zuvorkommen und eine deutsche Räterepublik ausrufen kann. Ohne sich länger zu besinnen, spricht Scheidemann:

    »Arbeiter und Soldaten!
    Furchtbar waren die vier Kriegsjahre. Grauenhaft waren die Opfer, die das Volk an Gut und Blut hat bringen müssen. Der unglückselige Krieg ist zu Ende. Das Morden ist vorbei. Die Folgen des Kriegs, Not und Elend, werden noch viele Jahre lang auf uns lasten. Die Niederlage, die wir unter allen Umständen verhüten wollten, ist uns nicht erspart geblieben, weil unsere Verständigungsvorschläge sabotiert wurden, wir selbst wurden verhöhnt und verleumdet.
    Die Feinde des werktätigen Volkes, die wirklichen inneren Feinde, die Deutschlands Zusammenbruch verschuldet haben, sind still und unsichtbar geworden. Das waren die Daheimkrieger, die ihre Eroberungsforderungen bis zum gestrigen Tage ebenso aufrechterhielten, wie sie den verbissenen Kampf gegen jede Reform der Verfassung und besonders des schändlichen preußischen Wahlsystems geführt haben. Diese Volksfeinde sind hoffentlich für immer erledigt. Der Kaiser hat abgedankt. Er und seine Freunde sind verschwunden. Über sie alle hat das Volk auf der ganzen Linie gesiegt! Der Prinz Max von Baden hat sein Reichskanzleramt dem Abgeordneten Ebert übergeben. Unser Freund wird eine Arbeiterregierung bilden, der alle sozialistischen Parteien angehören werden. Die neue Regierung darf nicht gestört werden in ihrer Arbeit für den Frieden, in der Sorge um Brot und Arbeit.
    Arbeiter und Soldaten! Seid Euch der geschichtlichen Bedeutung bewußt. Unerhörtes ist geschehen. Große, unübersehbare Arbeit steht uns bevor.
    Alles für das Volk, alles durch das Volk! Nichts darf geschehen, was der Arbeiterbewegung zur Unehre gereicht.
    Seid einig, treu und pflichtbewußt!
    Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die Deutsche Republik!«
    Die Massen jubeln.
    Scheidemann tritt wieder zu seiner Gruppe. Ebert ist vor Zorn dunkelrot im Gesicht. Er schreit Scheidemann an: »Du hast kein Recht, die Republik auszurufen! Was aus Deutschland wird, ob Republik oder was sonst, das entscheidet eine Konstituante!«
    Und der neue Reichskanzler beschwört die »deutschen Bürger« in einem Aufruf: »Ich bitte Euch alle dringend: Verlaßt die Straßen! Sorgt für Ruhe und Ordnung!«
    Aber die Arbeiter und

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