Die Deutschen
Verhandlungen auf der Glocke noch erklären konnte, er sei seiner Bürger in allen zeitlichen Dingen mächtig, so hatte er auf den Vorhalt der Gegner, daß durch die Predigten Aufruhr erwachse, doch hinzufügen müssen, das sei nichts Neues, auch aus Christi Predigten sei Aufruhr gekommen, aber es sei dennoch das lautere und reine Evangelium geblieben. Schon im folgenden Jahre mußte der Rat schwere Vorwürfe aus dem Kreise der Bürger hören: er regiere die Stadt schlecht, das arme Volk, das alle Lasten an Bürgerwerk, Wachen und sonst tragen müsse, werde in seinen Gerechtigkeiten an der Bürgerweide verkümmert. Es waren einige Elterleute des Kaufmannsstandes, die sich zu Wortführern solcher Klagen machten. Sie verlangten vom Rate die Herausgabe des Weidebriefes vom Jahre 1159. Als der Rat die Forderung mit dem Bemerken ablehnte, daß der Brief keine größere Gerechtigkeiten enthalte als die gegenwärtigen, brachten sie in Begleitung vieler Bürger eine Bittschrift vor den Rat. Danach sollte dieser alle Besitzer von Weidekämpen bestrafen, die nicht durch Urkunden, die älter seien als das Privileg, ihren Besitz nachweisen könnten. Der Rat wandte ein merkwürdiges Mittel an, um dem Tumult ein rasches Ende zu bereiten: er wählte den hitzigsten Wortführer der Bürger, den Eltermann Hinrich von Sulingen, im Jahre 1526 zum Ratsherrn. Und wirklich schlief die Bewegung wieder ein, und bis zum Jahre 1530 hörte man nichts mehr von der Weidesache. Freilich fehlte es an Aufregungen anderer Art nicht, die die Unzufriedenheit der Masse nährten. Auch wiedertäuferische Lehren drangen in Bremen ein.
Im Sommer 1530 erneuert sich der Lärm wegen der Bürgerweide. Am 24. August kommt es zu einer Volksversammlung. Noch gelingt es, diesen Aufruhrversuch zu stillen, aber bald darauf sieht sich der Rat genötigt, die Einsetzung eines Sechzehnerausschusses zu bewilligen, der die Weidesache durch ein Rechtsverfahren beenden soll. Noch einmal übernimmt ein Eltermann, der Kaufmann Hinrich Swancke, die Führung der Unzufriedenen. Er aber lenkt die Bewegung in andere Bahnen. Die Bürgerweidesache tritt zurück gegenüber den Forderungen einer Verfassungsreform. Ihm liegt vor allem daran, die Verwaltung des gemeinen Gutes dem einseitigen Belieben des Rats zu entziehen und der Bürgerschaft einen ständigen Einfluß auf Erhebung und Verwendung der öffentlichen Einkünfte zu sichern. Die Einkünfte der Stadt sollen nicht mehr nach den einzelnen Verwaltungszweigen getrennt verwandt, sondern es soll eine einzige Stadtkasse gebildet werden.
An diese organische Bestimmungen reihen sich einige andere Forderungen: die Teilnahme der Geistlichen an allen Bürgerpflichten; das Verbot, daß ein Bürger mehr als sechzig Last Korn im Jahre verschiffe, damit nicht, wie jetzt, einzelne alles Korn aufkauften; ferner, daß der Rat binnen sechs Wochen alle anhängigen Rechtssachen entscheide und daß nur evangelische Männer im Rate oder in einem anderen städtischen Amte säßen. Es waren im ganzen maßvolle und sachlich wohlbegründete Forderungen.
Aber der Rat stellt sich auf den streng formalen Standpunkt, daß der Reformplan schon weiteren Kreisen bekanntgeworden sei, ehe der Rat davon wußte, und daß es sich deshalb um Aufruhr und Hochverrat handle. Swancke wird vom Rat mit Hausarrest belegt und fünf Tage später zum Tode verurteilt. Doch wagt der Rat nicht, das Urteil zu vollstrecken, er begnadigt den Verurteilten zu lebenslänglicher Verbannung.
Doch bald schon sollte der Rat die Erfahrung machen, daß mit solchen Maßnahmen die Unzufriedenheit der Menge nicht zu besänftigen war. In einer gerichtlichen Verhandlung, die zu Anfang des Jahres 1531 in der Weidesache vor dem Rat stattfindet, macht dieser nach fruchtlosen Vergleichversuchen den Vorschlag, die benachbarten Städte um eine schiedsrichterliche Entscheidung zu ersuchen. Da findet der Goldschmied Johann Dove einen Weg, diesen Beschluß zu hintertreiben. Mit dem Schlagwort, die Gemeinde brauche in der Weidesache keine Richter, sie habe einen Brief, der solle ihr Richter sein, findet er den Beifall der Menge und durchkreuzt die Absicht des Rats.
Unter den Gebieten, die man als der Weide widerrechtlich entzogen ansah, befanden sich auch einige, die der Deutschordenskomturei gehörten. Der Komtur erklärt, das könne vielleicht sein. Diese Aussage wird dem Manne zum Verderben. Die Aufregung gegen den Komtur wächst dermaßen an, daß er zum Schein die Stadt verläßt, heimlich aber
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