Die Deutschen
behauptete der Herzog, Briefe dieses Inhalts von ihm aufgefangen zu haben. Wie dem auch sei, der Herzog unterzeichnete den Traktat in treuloser Absicht. Er beschloß, der Bauern Bedingungen anzunehmen, um sie alle, sobald sie entwaffnet seien, meuchelmörderisch niederzumetzeln. Mit weißen Stäben in der Hand sollten sich die Bauern aus der Stadt auf den Marterberg zurückziehen. Kaum hatten einige Hundert das Tor durchschritten, als ein Landsknecht, der Händel suchte, sich an einem Bauern vergriff. ›Schandluder!‹ sagte der Bauer. – ›Il a crie, vive le gentil Luther!‹ schrie der Landsknecht. ›Nieder mit ihm!‹ Dies war das unerwartete Signal des Angriffs, der übrigens auf alle Fälle beschlossen war. Die Bauern, die sich verraten sahen, kehrten in die Stadt zurück, um die Waffen wieder zu ergreifen; aber hier wurden sie von den Knechten der Herren von Salm und Richarmeuil, welche die Stadt besetzt hatten, ebenfalls hinterrücks angegriffen. Es war ein gräßliches Blutbad. Die Straßen von Zabern waren so voll Blut, daß sie drei Tage lang ungangbar waren. Mehr als 16000 Personen, Männer, Weiber und Kinder, wurden niedergemetzelt. Alle Häuser wurden ausgeplündert, sogar die der Adligen und die Klöster; alle Frauen und Mädchen ins Lager geschleppt und dort auf die unzüchtigste Weise entehrt und mißhandelt. Die Herzöge von Guise und Beaudemont waren bei diesen Greueln zugegen und rührten sich nicht. Ihr Großmut beschränkte sich darauf, zu verhindern, daß die Stadt wie Lupf stein an allen vier Ecken angezündet wurde.«
Daß sich diese Niederlagen demoralisierend auf die anderen Aufständischen auswirken, ist nicht verwunderlich. Um so erstaunlicher ist es, daß gerade in dieser Zeit die Bauern in Franken unter der geistigen Führung von Wendel Hipler die Ideen zu einer Reformation des Reiches entwickeln. Hipler versucht, die Ziele der fortschrittlichen Elemente in den Städten mit den Forderungen der Gemäßigten unter den Bauern zum Plan einer Reichsreform zu vereinigen, der in Heilbronn ausgehandelt werden soll. »Man wollte vor allem versuchen«, schreibt Ranke, »der in sich zügellosen Bewegung eine allgemeine Leitung zu geben. In Heilbronn sollte eine gemeinschaftliche Kanzlei für alle Haufen, eine Art von Regierung eingerichtet werden. Die Massen selbst sollten nach Hause an ihr Tagewerk gehen; nur ein Aufgebot sollte im Felde bleiben und es sein Geschäft sein lassen, die noch Unüberwundenen zur Annahme der zwölf Artikel zu nötigen.
Indem man dann weiter an eine definitive Einrichtung dachte, war die vornehmste Idee, die alles beherrschte, folgende: Die Bauern sollten von allen drückenden Gerechtsamen geistlicher und weltlicher Herrschaften befreit werden. Zu dem Ende wollte man zu einer allgemeinen Säkularisation der geistlichen Güter schreiten. Indem dadurch die geistlichen Herrschaften weggefallen wären, hätte man auch die Möglichkeit erhalten, die weltlichen zu entschädigen; denn nicht ohne Entschädigung wollte man die letzteren ihrer Rechte berauben. Die Masse der Güter war aber so groß, daß man damit auch noch alle öffentlichen Bedürfnisse des Reiches zu befriedigen hoffte. Alle Zölle sollten aufhören, alle Geleite; nur immer im zehnten Jahre sollte man eine Steuer zu bezahlen haben für den römischen Kaiser, dessen Schirm und Schutz in Zukunft allein herrschen würde, ohne alle andere Verpflichtung. Die Gerichte sollten nach einem umfassenden Grundsatz umgestaltet und popularisiert werden. Vierundsechzig Freigerichte sollten im Reiche bestehen, mit Beisitzern aus allen Ständen, auch aus den geringeren, sechzehn Landgerichte, vier Hofgerichte, ein Kammergericht, alle auf ähnliche Weise organisiert. Das Kammergericht sollte folgende Mitglieder haben: zwei Fürsten, zwei Grafen und Herren, zwei von der Ritterschaft, drei von den Reichsstädten, drei von den Fürstenstädten, vier von allen Kommunen im Reich … Auch übrigens sollten alle Stände auf ihre ursprüngliche Bestimmung zurückgeführt werden: die Geistlichen sollten nur die Hüter ihrer Gemeinde sein, Fürsten und Ritter sich den Schutz der Schwachen angelegen sein lassen und sich brüderlich halten, alle Kommunen eine Reformation nach göttlichem und natürlichem Recht erfahren; nur eine Münze sollte gelten; man wollte gleiches Maß und Gewicht einführen. Ideen einer Umwälzung von Grund aus, wie sie erst in der Französischen Revolution wieder zum Vorschein gekommen sind.«
Aber Verrat
Weitere Kostenlose Bücher