Die Deutschen
stehen, unter ihnen Robert Blum, der wenig später erschossen werden wird. Aber noch ist man am Anfang. Die Mitglieder des Vorparlamentes ziehen unter dem Jubel der Bevölkerung in die Paulskirche, an den Ort ihrer künftigen Arbeit.
Als einer der ersten auf der Rednertribüne steht Friedrich Hecker. Er trägt seine und seiner Gesinnungsgenossen Grundsätze vor, »mit deren Hilfe allein Deutschland glücklich gemacht und frei werden kann«. Es sind 15 Punkte: Abschaffung der stehenden Soldatenheere und Errichtung einer Volkswehr; Abschaffung des Berufsbeamtentums; progressive Steuer; Aufhebung der Klöster; Beseitigung des Notstandes der arbeitenden Klassen und des Mittelstandes; Ausgleichung des Mißverhältnisses zwischen Arbeit und Kapital durch ein Arbeitsministerium, welches »die Arbeit schützt und Anteil am Arbeitsgewinn sichert«; Trennung von Staat und Kirche; Trennung von Kirche und Schule; freie Wahl der Lehrer, Geistlichen und Bürgermeister; endlich, fünfzehntens: »Aufhebung der erblichen Monarchie und Ersetzung derselben durch frei gewählte Parlamente, an deren Spitze frei gewählte Präsidenten stehen, alle vereint in der föderativen Bundesverfassung, nach dem Muster der nordamerikanischen Freistaaten.«
Aber das alles ist Zukunftsmusik. Aktuell ist der Antrag, das Vorparlament möge erklären, es tage in Permanenz. »Wir werden in Frankfurt am Main vereinigt bleiben, bis ein frei gewähltes Parlament die Geschicke Deutschlands leiten kann. Mittlerweile werden wir die erforderlichen Gesetzesvorlagen entwerfen und durch einen frei gewählten Vollziehungsausschuß das große Werk der Wiederherstellung Deutschlands vorbereiten.« Aber die Abgeordneten entschließen sich in ihrer Mehrheit, die Entscheidung über die künftige deutsche Staatsverfassung ausschließlich dem kommenden deutschen Parlament zu überlassen. Die Sozialrevolutionären Republikaner müssen sich als Minderheit des Vorparlaments bescheiden. Ihre Führer Hecker und Struve werden nicht in den Fünfziger-Ausschuß gewählt, »den das Vorparlament als seinen Stellvertreter in Frankfurt hinterläßt, damit er einstweilen nach dem Rechten sehe und den Bundestag in Respekt halte«.
Hecker und Struve erklären den Frankfurter Gesinnungsgenossen, die Zeit zum Handeln sei gekommen, doch sei Frankfurt nicht der richtige Ort für einen republikanischen Aufstand, man müsse es in Baden versuchen.
Der leidenschaftlichste und klügste Agitator für den Umsturz ist Joseph Fickler, 1808 in Konstanz geboren, anfänglich Kaufmann, seit 1830 Herausgeber der »Seeblätter« in Konstanz. Er entwirft den Aufstandsplan und weist jedem republikanischen Führer im Lande seine Aufgabe zu. Er nimmt auch die Verbindung zur »Deutschen Legion« der Emigranten auf, deren Mitglieder sich, aus der Schweiz und Frankreich kommend, an den Grenzen Badens versammeln sollen. Ihr Haupt ist der Dichter Georg Herwegh. Als der Ausmarsch der Legion aus Paris bekannt wird, beantragt die badische Regierung beim deutschen Bundestag die Mobilisierung des achten Bundeskorps und dessen Einmarsch in Baden.
Bewaffnete republikanische Volksversammlungen beschließen »Sturmpetitionen«, die die Regierung in Karlsruhe veranlassen sollen, die fremden Truppen zurückzuziehen. Man gibt der Regierung dreimal 24 Stunden Zeit.
Als Aufstandstermin hat Fickler die letzten Tage des Monats April vorgeschlagen. Er reist als nimmermüder Organisator landauf und landab. Da wird er am Morgen des 8. April von dem Führer der Liberalen in Baden, Karl Mathy, auf dem Bahnhof in Karlsruhe aus dem Eisenbahnwagen heraus als »Hochverräter« verhaftet. Hecker verläßt daraufhin am Morgen des 9. April Karlsruhe, überschreitet den Rhein und reist über Basel und Zürich nach Konstanz. Dort erwarten ihn der Schriftsteller Gustav von Struve, der ehemalige preußische Leutnant Willich, ein Holsteiner namens Brühe, ein württembergischer Lehrer aus Hohenheim, Mögling, und der ehemalige Handlungsreisende und jetzige Revolutionär Doll. Die fünf beschließen den sofortigen Aufstand. Hecker rechnet mit einem Zustrom von 80000 bewaffneten Mitkämpfern. Es sind wohl nie mehr als 6000 geworden.
Am 12. April erlassen Hecker und Struve einen Aufruf, in dem es heißt: »Der Augenblick der Entscheidung ist gekommen. Worte können uns unser Recht und unsere Freiheit nicht erobern. Darum fordern wir alle waffenfähigen Männer auf, Freitag, den 14. April, mittags 12 Uhr, in Donaueschingen auf dem Marktplatz
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