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Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Titel: Die Diagnose: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gapper
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hocken, an dem zwanzig Senatoren saßen. Der Raum war riesig und zeremoniell, üppig mit Mahagoni und Marmor ausgestattet, und über dem Podium hingen ein Adler und die amerikanische Flagge. Angestellte mit teigigen Gesichtern in kastenförmig geschnittenen Anzügen, die aussahen, als bekämen sie zu wenig Licht und zu wenig Schlaf, kamen durch eine messingbeschlagene Tür unter dem Adler. Der Senatspräsident sah kränklich aus − rundlich und zerknittert, mit dichtem weißem Haar, Hängebacken und einer Stupsnase −, doch er strahlte Zufriedenheit darüber aus, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, als wäre dieser Augenblick der Lohn für seine Plackerei bis ins hohe Dienstalter. Er ließ den Hammer niedersausen.
    »Ich erinnere alle daran, dass dies eine Anhörung ist. Wir werden hier keinerlei Störungen dulden, ungeachtet dessen, was Sie empfinden«, sagte er heiser. »Aber glauben Sie mir, ich bin genau wie alle der hier Anwesenden entschieden der Meinung, dass wir den Exzessen an der Wall Street, deren Zeugen wir geworden sind, Einhalt gebieten müssen. Dazu werden wir den Finanzminister später befragen, doch unsere erste Zeugengruppe hat viele Fragen zu beantworten. Ich fordere sie auf, offen zu sprechen und nicht den Versuch zu unternehmen, das amerikanische Volk hinters Licht zu führen.«
    Die Kamera schwenkte auf Harry und Greene und die Anwälte und Funktionäre, die in stummer Unterstützung hinter ihnen versammelt waren. Direkt neben Harrys Kopf, etwa zwei Reihen hinter ihm, war Nora zu sehen. Weiter vorn, genau zwischen Harry und Greene, wie um seine Neutralität zwischen seinem alten und seinem neuen Chef zu unterstreichen, saß Felix. Selbst hier vor dem Computer, Monate nachdem dieser Schauprozess inszeniert worden war, wollte ich Harry drängen, ruhig zu bleiben. Der Versuch, die Vergangenheit zu beeinflussen, war sinnlos, doch ich konnte nicht anders. Fast als würde er mich hören, nickte Harry, als Greene das Mikrofon nahm.
    »Senator, ich verpflichte mich im Namen von Seligman Brothers, auf ganzer Ebene zu kooperieren, um die von uns gemachten Fehler aufzudecken, denn es sind gravierende Irrtümer vorgekommen, die wir alle bedauern, und dafür zu sorgen, dass die Investitionen der Steuerzahler zurückgezahlt werden«, sagte Greene ernst.
    Da ich mir noch nie eine Anhörung vor dem Senat angesehen hatte, wusste ich nicht, was mich erwartete, doch es stellte sich heraus, dass der erste Tagesordnungspunkt darin bestand, dass alle Senatoren eine Rede hielten, während die Zeugen schweigend dasaßen. Greene setzte eine unterstützende Miene auf, während Harry finster blickte. Ich spulte vor, bis ich sah, dass die Kamera Harry in den Fokus nahm, der etwas von einem Blatt Papier ablas, das er mit beiden Händen festhielt. Er hatte eine Brille aufgesetzt. Ich ließ es im normalen Tempo laufen. Seine Rede klang gut. Vermutlich hatte Felix ihm etwas Zerknirschtes aufgesetzt.
    »Ich möchte dem Ausschuss versichern, dass ich zwar bitter bedauere, was passiert ist, dass ich aber stets in dem Glauben gehandelt habe, das Beste für Seligman Brothers und für dieses Land zu tun.« Er sprach mit ruhiger Stimme, doch als er an das Ende des Satzes kam, ließ er erleichtert die Schultern sinken. Es sah ganz so aus, als habe er es nur unter großer Anstrengung hinter sich gebracht.
    Der Senator, der als Erster Fragen stellen durfte, hatte einen Bürstenhaarschnitt, eine Hakennase und einen harten Blick. Er starrte Harry und Greene an, als stünden sie weit unter ihm – nicht nur körperlich, sondern vor allem moralisch –, und hob die Hand, um sich an der Schläfe zu kratzen, während er sprach.
    »Mr Shapiro, das klingt ja alles ganz schön und gut, aber eines verstehe ich doch nicht ganz. Wenn alles, was Sie gemacht haben, richtig war, warum sind Sie dann zurückgetreten?«
    »Senator, ich war der Meinung, Seligman brauche einen Neuanfang, nachdem …«
    »Kommen Sie, Sie sind doch nicht freiwillig abgetreten, oder? Sie wurden gefeuert. Sie wurden rausgeworfen, weil Sie Mist gebaut haben, ist es nicht so?«
    Zuerst zuckte Harry zusammen, doch dann schienen die Anschuldigungen ihn anzuheizen. Er senkte den Kopf in Richtung des Senators wie ein Bulle, der jeden Augenblick auf das rote Tuch des Matadors losstürmt, und sprach in scharfem, kontrolliertem Tonfall.
    »Angesichts des Misserfolgs des Unternehmens und der Tatsache, dass es auf Kapital vom Steuerzahler angewiesen war, habe ich es als eine Sache

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