Die Diagnose: Thriller (German Edition)
Berater zur Seite gestanden. Wenn Sie erwarten, dass ich Mitleid mit ihm habe, muss ich Sie enttäuschen.«
»Vermutlich«, sagte ich skeptisch.
»Hören Sie, was ist der größte Deal, den Sie je abgeschlossen haben? Sie haben vielleicht mal ein Haus verkauft, oder? Haben Sie den Käufern alles gesagt, oder haben Sie ein paar Risse überspachtelt? Jede Wette. Es ist die Aufgabe der Käufer, sie zu finden. Dafür haben sie einen Sachverständigen.«
Das war ziemlich nah dran an der Wahrheit. Das Haus meiner Mutter hatte ein paar feuchte Stellen im Mauerwerk gehabt, aber wir hatten sie, als wir es nach ihrem Tod verkauft hatten, so verputzt, dass man sie nicht auf den ersten Blick sah. Von dem Geld hatte ich mir eine Wohnung in New York kaufen können.
»Gewährleistungsausschluss«, sagte ich.
»Richtig. Sei auf der Hut, Käufer. Ich war Marcus’ Banker, und Harry hatte seine eigenen Berater, darunter eine Frau, von der er hätte wissen müssen, dass sie nicht besonders gut war. Entweder hat sie nicht hart genug gearbeitet oder nicht die richtigen Fragen gestellt. Das war nicht unsere Schuld.«
Ich versuchte, ein amüsiertes Gesicht darüber aufzusetzen, dass es ihm und Greene gelungen war, Harry und seine Beraterin hinters Licht zu führen.
»Arbeitet sie noch hier?«, fragte ich.
Er grinste. »Nein, sie beschloss zu gehen, bevor wir sie raussetzten. Das war klug. Sie hätte sich nicht mehr lange gehalten.«
Während er sprach, griff er in die Tasche und holte seinen BlackBerry heraus, den er auch schon in der Gulfstream dabeigehabt hatte.
»Okay, ich komme gleich«, sagte er und steckte ihn wieder weg. »Also, Ben, ich denke, unser kleiner Ausflug ist zu Ende. Ich hoffe, Sie haben etwas gelernt.«
Einmal wurde ich Zeuge eines Unfalls mit Fahrerflucht, bei dem ein Auto über eine rote Ampel bretterte und eine Frau überfuhr, beschleunigte und davonschoss. Nachdem man sie im Krankenwagen weggebracht hatte, wurden ein anderer Passant und ich von den Polizisten vor Ort befragt. Ich erinnere mich noch gut daran, dass meine Version vollkommen konträr zu seiner Version war, obwohl wir keinen Grund hatten zu lügen und ihnen genau erzählen wollten, was passiert war.
Ich berichtete, der Wagen habe eine rote Ampel überfahren. Er sagte, es sei Gelb gewesen. Am Steuer hatte eine Frau gesessen. Nein, ein Mann. Die Polizisten, die alles notierten, waren nicht sauer. Ja, sie wirkten, als erwarteten sie eine konfuse Version der Ereignisse. Obwohl wir uns bemühten, unser Bestes zu tun und wahrheitsgetreu zu berichten, war es schlimm genug. Doch wenn Menschen es mit der Wahrheit bewusst nicht so genau nehmen, ist es ein Wunder, wenn sie sich in irgendeinem Punkt einig sind.
Die Szene, die Anna von den Dünen in East Hampton aus beobachtet hatte, passte zu Underwoods Geschichte. Wenn Lauren dafür verantwortlich war, dass der Deal in die Hose gegangen war, weil sie nicht erkannt hatte, dass Grayridge viel tiefer in Schwierigkeiten steckte, als Greene zugegeben hatte, dann ließ sich Harrys Verzweiflung damit erklären.
Obwohl ich Underwood durchaus für den Typ hielt, der zu seinem eigenen Vorteil log, sah ich nicht, welches Motiv er hier haben sollte. Er hatte mir nichts über Lauren erzählen müssen, und die Verachtung in seinem Blick war mir echt vorgekommen. Er hatte nicht einmal ihren Namen erwähnt, sich nur nebenbei über sie ausgelassen. Wäre sein Rivale ein Mann gewesen, hätte ich nicht gewusst, wen er meinen könnte. Doch eines, was er gesagt hatte – sie hatte nicht hart genug gearbeitet und die Schwachstellen in Greenes Unternehmen nicht bemerkt –, ergab meines Erachtens keinen Sinn. Ich ging nicht davon aus, dass sie mir gegenüber in allen Punkten ehrlich gewesen war, aber ich glaubte doch, dass sie im Bezug auf ihre Arbeit die Wahrheit gesagt hatte.
Ich hatte ihre Verachtung für Underwood und die Männer, mit denen sie konkurrieren musste, deutlich gespürt. Lauren war bei Seligman allein aufgrund ihrer Leistungen aufgestiegen – sie hatte unermüdlich gearbeitet, über den Details gebrütet und nichts dem Zufall überlassen. Ich arbeite härter, ich höre mehr, hatte sie gesagt. Ich war mir sicher, dass sie jedes auch noch so kleine Detail ausgegraben hatte, bevor sie grünes Licht für den Deal gab. Die Frau, die mich gewarnt hatte, keine schwierigen Fragen zu stellen, war weder faul noch vage noch willens, Dinge schleifen zu lassen. Wenn sie die drohende Katastrophe nicht vorhergesehen
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