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Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Titel: Die Diagnose: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gapper
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hatte, dann gab es dafür einen Grund.

22
    Nachdem ich meine Sachen in Riverhead in einem Schließfach verstaut hatte, wurde ich hineingeführt, ohne dass man mir einen Stempel auf die Hand drückte. Diesmal geleitete mich ein Beamter einen Flur hinunter in einen keilförmigen Bereich, der von kleinen Kammern gesäumt wurde, gerade groß genug, dass zwei Personen darin Platz nehmen konnten. Hier trafen sich die Anwälte mit ihren Mandanten, und als Psychiater hatte man mir Zugang gewährt. Ein Wachmann, der an einem Tisch saß, zeigte auf einen der winzigen Räume, in den man zwei Stühle und einen Tisch gequetscht hatte. Ich hatte kaum zwei Minuten gewartet, da hörte ich, wie der Wachmann jemanden grüßte, und Harry kam herein. Er steckte in einem dunkelgrünen Overall und nicht in dem gelben, den er im Besucherbereich getragen hatte. Er starrte mich an wie eine Fliege, die er gern zerdrückt hätte, die aber immer noch herumsummte.
    »Sie sind wiedergekommen«, sagte er.
    »Bin ich.«
    Ich fühlte mich unwohl, obwohl der Beamte gleich auf der anderen Seite der Tür saß. Es sah aus, als hätte Harry weiterhin den Fitnessraum aufgesucht. Sein Gesicht war schmaler, und seine Arme zeichneten sich muskulös unter dem kurzärmeligen Overall ab. Wo auch immer er demnächst hinkam – in eine psychiatrische Klinik oder ein Gefängnis –, er hatte sich gut um sich gekümmert. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, seit ich das erste Mal nach Riverhead gekommen war, war es verwirrend, Harry wiederzusehen. Bei meinem ersten Besuch hatte ich eine Ahnung bekommen, dass mit seiner Version der Ereignisse etwas nicht stimmte, aber ich hatte nicht den leisesten Schimmer gehabt, was es sein könnte. Jetzt kam ich der Wahrheit allmählich näher.
    »Was wollen Sie?«, fragte er von oben herab.
    Ich war aus einem ganz bestimmten Grund gekommen – um ihm etwas abzuluchsen. Ich musste ihn dazu bringen, mir etwas zu sagen, aber ich durfte ihn nicht wissen lassen, was es war und warum es mir so wichtig war. Die Idee war mir gekommen, als ich darüber nachgedacht hatte, was Lauren gesagt hatte. Sie hatte gesagt, ich sei in Gefahr und solle auf mich aufpassen. Erst später war mir aufgegangen, dass ich nicht der Einzige war, der in Gefahr war. Der Mann, der vor mir saß, hatte jemanden umgebracht – er war gefährlich. Das hatte seinen Nutzen, denn es entband mich von einigen Verpflichtungen, die mich eingeengt hatten. Ich musste ihn nur dazu bringen, die Beherrschung zu verlieren, und das, dachte ich, dürfte nicht allzu schwer sein.
    »Erzählen Sie mir, warum Sie Mr Greene erschossen haben«, bat ich ihn.
    »Ich kann mich an nichts erinnern. Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
    »Ich glaube nicht, dass es etwas mit der Abmachung oder dem Flugzeug zu tun hatte. Sie waren sauer, dass Greene Sie vor der Fusion getäuscht hatte. Er hatte Ihnen nicht die Wahrheit über sein Unternehmen gesagt. Er hat Sie zum Narren gehalten.«
    Harry rührte sich nicht, doch ich spürte, wie sich in ihm etwas verschob, wie das Klicken des Thermostats, kurz bevor der Boiler anspringt. In seinen Augen war jetzt ein schwaches Schimmern, dasselbe Glühen, das ich schon in der psychiatrischen Notaufnahme gesehen hatte. Ich musste es nur richtig entfachen.
    »Sie waren nicht der Einzige, den er aufs Kreuz gelegt hat«, sagte ich.
    Harry kniff die Augen zusammen, als könnte er kaum glauben, was ich gerade gesagt hatte. Dann stand er auf und beugte sich vor, bis seine Augen dicht vor meinen waren. Ich war schockiert über die animalische Intensität seines Blicks. Dies war der Harry, von dem ich immer gewusst hatte, dass er existierte: der zornige Harry, den Greene in seinen letzten Sekunden gesehen haben musste. Hilfe suchend blickte ich durch das Fenster in der Tür, doch der Wachmann war in seine Zeitung vertieft.
    »Was, zum Teufel, meinen Sie damit? Sie sollen sich um Ihren eigenen Kram kümmern. Warum hören Sie nicht?«, zischte er.
    Ich versuchte, seinem Blick standzuhalten, doch das war nicht leicht. Lauren hatte mich gewarnt, vorsichtig zu sein, und sie hatte recht gehabt. Ich hatte immer gedacht, Harry fiele nicht in dieselbe Kategorie wie Schizophrene, die gefährlich waren, aber jetzt war ich mir nicht mehr sicher. Er ist wirklich gewalttätig , dachte ich, er hat das im Wall-Street-Dschungel nicht bloß vorgetäuscht . Sicher dreißig Sekunden stand er so über mir, die Hände fest auf die Tischplatte gestützt. Dann wurde sein Blick

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