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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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wie so viele Male zuvor.
    »Ihr wünscht mich zu sprechen, mein Herr Gemahl?«, begann sie so gelassen wie möglich.
    Cadell kam ein paar Schritte näher und legte beide Hände auf den Tisch.
    »Du schreckst vor nichts zurück, du verlogene, normannische Hure, nicht wahr?«, schrie er unvermittelt los. »Selbst deinen Gemahl und deinen eigenen Onkel bist du bereit zu verraten.«
    Der Vorwurf klang derart unsinnig, dass Maries Furcht ein wenig nachließ. Es musste sich um irgendein Missverständnis handeln.
    »Wie kommt Ihr auf eine derartige Idee?«, wehrte sie ab. »Was sollte ich irgendwem verraten haben?«
    Cadell stieß ein bitteres Lachen aus.
    »Es hat keinen Sinn, dich herauszuwinden. Ich weiß bereits, dass der Bote von meinem Bruder abgefangen wurde. Nun wird Rhys ihn verhören lassen, und der normannische Schwachkopf wird plaudern. Das hast du wirklich hervorragend gemacht, alle Achtung.«
    Er begann im Raum herumzulaufen, wie Marie es selbst regelmäßig tat. Jetzt aber saß sie völlig still und versuchte, ihre wirren Gedanken in ein sinnvolles Ganzes zu fügen. Sosehr sie sich auch bemühte, sie vermochte aus Cadells Vorwürfen keine zusammenhängenden Schlüsse zu ziehen.
    »Du hast mich damals belauscht, das habe ich mitbekommen«, fuhr ihr Gemahl indessen fort. »Wahrscheinlich hast du die ganze Zeit hinter der Tür gestanden, du hinterhältige Ratte! Aber warum in Gottes Namen hast du meinen Bruder warnen lassen? Es wäre auch dein Vorteil gewesen, wenn
ich mich auf die Seite deines Königs geschlagen hätte, warst du denn zu blöde, das zu begreifen?«
    »Ihr wolltet den König unterstützen? Eure eigenen Leute verraten? Mein Herr Cadell, aus welchem Grund?«, murmelte sie fassungslos. Cadell blieb stehen und packte sie an der Schulter. Marie musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht aufzuschreien. Sie hatte vergessen, wie viel Kraft noch in diesem Körper steckte.
    »Warum, mein Herr Cadell, warum?«, äffte er sie mit verzerrter Fistelstimme nach. »Weil ich endlich zurückhaben wollte, was er mir genommen hat, du kleine Gans! Dein Onkel hätte mich zum Herrn über Deheubarth machen können, und dann wärest du auch ein bisschen mehr gewesen als das fade, unscheinbare Ding, das du eben bist. Aber das musstest du natürlich verhindern. Und ich glaube, ich weiß, warum.«
    Der Druck seiner Finger wurde stärker. Sie stachen wie Nägel in Maries Fleisch.
    »Er gefällt dir, nicht wahr?«, spuckte Cadell ihr ins Gesicht. »Komm, gib es zu, du bist wie all die anderen Weiber, die Rhys schmachtend ansehen, weil sie ihn gern zwischen ihren Schenkeln spüren möchten. Aber das kannst du vergessen, den Gefallen tut er einer Vogelscheuche wie dir nie im Leben.«
    Mit diesen Worten stieß er sie zu Boden. Der Aufprall ließ sie aufschreien, aber sie zwang sich, so ruhig wie möglich aufzustehen. Cadell war wie von Sinnen.
    »Ich habe in dieser Nacht nur ein paar Worte gehört, die kaum Sinn ergaben«, erzählte sie wahrheitsgemäß. »Wie sollte ich Euch denn verraten? Ich komme doch niemals aus der Burg heraus, und Euer Bruder ist nie hier gewesen. Mein Herr Cadell, ich werde auf die Bibel schwören, dass ich unschuldig bin, wenn der Priester sie bringt.«

    Sie war stolz, völlig gefasst gesprochen zu haben. Guillaume hatte ihr einst erklärt, es sei wichtig, bei wilden Tieren keine Furcht zu zeigen.
    Cadell blieb stehen und musterte sie nachdenklich, was Hoffnung in ihr aufkeimen ließ. Vielleicht würde er schließlich begreifen, wie unsinnig seine Anschuldigungen waren.
    »Wie, ja, das frage ich mich auch«, begann er, mehr zu sich selbst als an sie gewandt. »Ich habe deine hübsche kleine Dienstmagd nicht mehr aus der Burg gelassen. Auch diesen lächerlich herausgeputzten Normannenritter und seine zwei anderen Männer habe ich beobachten lassen. Nur mein Verbündeter konnte sich heimlich davonschleichen, dafür habe ich gesorgt. Trotzdem hat Rhys von meinem Plan erfahren.«
    Er ließ seinen Blick ratlos durchs Zimmer schweifen, sämtliche Möbelstücke und die Mauern der Wände mustern, als vermute er irgendwo in diesem Raum die Antwort auf seine Frage. Dann fixierte er plötzlich die Ecke, wo Cleopatras Käfig hing.
    »Der Vogel«, stieß Cadell zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »So also ist es gewesen.«
    Ein Schauder zog über Maries Rücken. Sie trat einen Schritt vor, stellte sich zwischen Cadell und den Käfig.
    »Was meint Ihr, mein Gemahl?«
    Er lachte auf.
    »Es ist doch völlig

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