Die Dichterin von Aquitanien
geholt. Es werden wahrscheinlich Narben zurückbleiben, aber ernste Verbrennungen sind es nicht, keine Sorge. Du wirst deine Hände wieder benutzen können.«
Die Zofe war verzweifelt bemüht, sie aufzumuntern. Marie biss sich auf die Lippen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Es war alles nicht so schlimm, wenn sie weiterhin den Federkiel führen konnte. Der Schmerz würde mit der Zeit wieder vergehen, wie auch die letzten Male.
Flammen loderten in ihrer Erinnerung auf, und sie sah die Fäuste Cadells auf sich niedergehen. Die empfindliche Stelle zwischen ihren Schenkeln begann zu brennen, sobald Marie sich regte. Sie wusste, dass auch dieser Schmerz in einigen Tagen vergehen würde. Doch fehlte in ihrem mittlerweile vertrauten Verlies ein Laut, den sie herbeisehnte. Warum störte Cleopatras Krächzen nicht die liebliche Melodie der Singvögel? Verwirrt richtete sie sich auf. Hawisas Gesicht schob sich in ihr Blickfeld.
»Es tut mir leid, Marie. So schrecklich leid.« Die Hände der Zofe strichen über Maries Schultern. »Ich wollte es nicht. Das musst du mir glauben«.
Marie schüttelte Hawisas Berührung ab und ließ ihren Blick durch den Raum wandern. Auf dem Tisch entdeckte sie einen verlassenen Käfig.
»Ich habe sie bei der Quelle begraben, wo es dir so gefiel«, meldete sich Hawisa wieder zu Wort.
Jetzt hatte Marie den kleinen verbrannten Körper mit qualvoller Deutlichkeit vor Augen. Der Schmerz ließ sie laut aufschreien. Nun gab es nichts mehr, das sie noch mit der glücklichen Zeit ihrer Kindheit verband.
»Marie, ich habe nicht geahnt, dass es so ausgeht«, wiederholte Hawisa sich immer wieder. Langsam bekamen ihre Worte eine Bedeutung. Marie wandte sich um, um ihrer Zofe in die Augen zu sehen.
»Hast du eine Nachricht an den Prinzen Rhys geschickt?«, fragte sie.
Hawisa wich vor dem anklagenden Blick zurück.
»Wie sollte ich denn ahnen, dass er ausgerechnet dich verdächtigen wird? Du hast gesagt, niemand hätte dich an dem Abend gesehen.«
Marie fuhr auf.
»Trotzdem hätte es mich in Gefahr bringen können. Der Prinz Rhys wird denken, dass ich an Cadells Plan beteiligt war, denn schließlich bin ich mit Henri verwandt. Warum in Gottes Namen hast du das getan? Wie konntest du die Nachricht überhaupt aus der Burg schmuggeln?«
Hawisas starrte zu Boden.
»Es gibt einen geheimen Gang, der nach draußen führt«, flüsterte sie. »Der Prinz hat mir selbst erklärt, wie ich ihn finde.«
Zahllose Splitter fügten sich allmählich zu einem vollständigen Gebilde. Marie musterte Hawisas anmutiges Gesicht, die schmale, liebliche Gestalt, deren kleine Füße in Holzschuhen steckten.
»Dieser Liebhaber, den du mir die ganze Zeit verheimlichen wolltest, obwohl dein Strahlen dich verraten hat, das war Rhys ap Gruffydd?«.
Hawisas Kopf sank noch tiefer.
»Ich wollte es dir erzählen, schon als es begann«, gestand
sie. »In deiner Hochzeitsnacht. Ich machte mir Sorgen um dich, konnte nicht einschlafen. Da wollte ich mir noch etwas Bier holen, aber zwei Männer liefen mir über den Weg und wurden zudringlich. Der Prinz muss mich gehört haben, als ich sie abschütteln wollte. Er kam mir zu Hilfe, versprach mir, sie für dieses ungebührliche Betragen streng zu strafen. Das hatte kein hoher Herr je für mich getan.«
»Er hätte es wohl kaum getan, wenn du ihm nicht gefallen hättest«, warf Marie ein.
»Er hätte mich auch auf andere Art haben können«, entgegnete Hawisa. »Aber er begleitete mich in die Küche, wo ich weiteres Bier und außerdem noch Brot und Schinken bekam. Dann führte er mich zu unserem Schlafgemach und fragte, ob er noch etwas mit mir plaudern dürfte. Wir haben lange geredet. Dann geschah es einfach. Marie, es war so ein wunderbares Gefühl, ihm nahe zu sein! Als du dann völlig aufgelöst von Cadell zurückkamst, brachte ich es einfach nicht fertig, dir von meinem Glück zu erzählen.«
Hawisa vergrub ihr Gesicht in den Händen.
»Na gut«, meinte Marie um Ruhe bemüht. »Und wie ging es dann weiter?«
»Er erzählte mir von dem Gang, damit ich unauffällig aus Cadells Burg herauskommen konnte. Dann trafen wir uns immer wieder. Es gibt hier in der Nähe eine Hütte, wo der Prinz und seine Brüder früher manchmal bei der Jagd haltmachten. Rhys ließ mir durch einen der Wachmänner am Tor immer eine Botschaft zukommen, wenn er dort auf mich wartete. Bei dem letzten Treffen erzählte ich ihm von meinem Verdacht, dass Cadell sich auf die Seite des englischen Königs
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