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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ihren zahlreichen Verwandten und Gefolgsmännern warten nur auf die Gelegenheit, es Henri auf dem Schlachtfeld einmal so richtig zu zeigen. Und sie haben ihm bereits so etwas wie eine Einladung geschickt. Prinz Rhys hat die Ländereien Roger de Clares in Ceredigion verwüstet. Es wird unserem König nicht gefallen, dass die normannischen Lords in der walisischen Wildnis nicht mehr sicher sind, vor allem in Anbetracht seiner Zuneigung für Walter de Clifford, oder soll ich besser sagen für Walter de Cliffords liebreizende Tochter?«
    Marie schüttelte die unangenehme Erinnerung an Rosamond ab. Die Tragweite der Neuigkeiten drang langsam in ihr Bewusstsein.
    »Es wird also Krieg geben zwischen Walisern und Normannen?«, fasste sie Guy de Osteillis Worte zusammen.
    Der Ritter nickte.
    »Das habt Ihr treffend ausgedrückt. Ein Krieg zwischen Walisern und Normannen steht bevor, wobei wir zwei verlorene Normannen mitten im Land der Waliser sind. Es könnte sein, dass uns … nun, wie soll ich sagen … ungemütliche Zeiten bevorstehen.«

    Marie fühlte sich, als habe sie jemand aus einem langen, tiefen Schlaf gerissen. Das Pergament mit ihrer Liebesgeschichte schien plötzlich nur eine alberne Kinderei.
    »Wie ist die Stimmung, Sire?«, fragte sie, verzweifelt um Fassung bemüht. »Sind die Leute in der Burg zu Euch feindselig gewesen?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Nicht mehr als sonst. Wir waren von Anfang an nicht unbedingt beliebt hierzulande, aber Euch schien es nicht aufzufallen.«
    Marie nahm einen unausgesprochenen Vorwurf wahr, doch war dies nicht der richtige Zeitpunkt, dem Ritter in aller Deutlichkeit zu erklären, dass die Hölle ihres Ehelebens sie zu sehr beschäftigt hatte, als dass sie genauer auf ihre Umwelt hätte achten können.
    »Aus den Plänen der Waliser wird jedenfalls kein Geheimnis mehr gemacht«, fuhr Guy de Osteilli fort. »Cadells Männer erzählten mir stolz, dass nun alle Normannen zum Teufel gejagt werden sollen, damit hier wieder alles so wird wie in der guten alten Zeit, da anständige, gottesfürchtige Leute in morschen Holzhütten hausten, trockenes Brot und zähes Hammelfleisch kauten und wenn die Ernte schlecht ausfiel eben nur Gras.«
    Marie fand den unerschütterlich spöttischen Ton ihres Ritters plötzlich nur noch ärgerlich.
    »Auch in den Ländereien des Königs führen die meisten Menschen ein sehr bescheidenes Dasein«, erwiderte sie barsch. »Wenn die Herrschaft normannischer Fürsten den Walisern wirklich ein besseres Leben beschert hätte, dann wären wir hier nicht ganz so unbeliebt.«
    Guy zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
    »Gut gekontert. Owein würde Eure Schlagfertigkeit bewundern. Er ist beim Reden ebenso leidenschaftlich wie
beim Singen und beim … Na ja, schweigen wir darüber. Leider hindert die Hitzigkeit seines Temperaments ihn mitunter daran, klar zu denken.«
    Marie atmete tief durch und strich sich mit der Hand über die Stirn, um ihr eigenes Temperament zu zügeln. Guys Geplauder über Owein schien nun ebenso unwichtig wie ihre Geschichte von der schönen Dame und ihrem Liebhaber.
    »Cadell wird uns nicht schützen«, sprach sie ihre Gedanken laut aus. »Wir werden wie Geiseln sein. Nur sind wir meinem Onkel nicht viel Lösegeld wert.«
    Guy hörte endlich auf zu grinsen und nickte nur.
    »Der König hat zwei von Rhys Söhnen als Geiseln genommen«, erklärte er. »Wenn wir sehr, sehr großes Glück haben, dann könnten wir gegen sie ausgetauscht werden. Das dürfte im Moment unsere einzige Hoffnung sein.«
    »Habt Ihr nicht von einem Brief gesprochen, den Ihr an den Königshof schicken wolltet, um mich von hier wegbringen zu lassen?«, stieß Marie verzweifelt hervor. Die Erinnerung an das Gespräch zwischen Hawisa, Guy de Osteilli und dem Priester war ein winziger Hoffnungsschimmer in dem Unwetter, das ihnen drohte. Sie wollte sich daran klammern, obwohl ihr Guys Vorhaben bisher wenig aussichtsreich erschienen war.
    Der Ritter lehnte sich zurück und legte die Hände auf den Tisch.
    »Der Brief wurde abgeschickt«, sagte er nur. »Nun müssen wir warten, hoffen und beten. Dies ist alles, was uns noch übrig bleibt.«
    Marie meinte, diesen Satz in letzter Zeit sehr oft gehört zu haben. Erschöpft senkte sie den Kopf und plauderte noch eine Weile mit Guy. Dann entließ sie ihn, und er versprach wiederzukommen, sobald es Neuigkeiten gab.

    Die Tage schlichen dahin, reihten sich zu Wochen. Marie lernte allmählich, die Ungewissheit über ihr

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