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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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klar, was ich meine. Du hast diese hässliche grüne Kreatur mit einer Botschaft aus dem Fenster flattern lassen. So erfuhr mein Bruder von dem Plan.«
    Nun war Marie selbst zum Lachen zumute, so albern klangen Cadells Anschuldigungen.
    »Das ist ein Papagei und keine Brieftaube«, erklärte sie. »Er könnte hier draußen nicht überleben, geschweige denn nach Dinefwr und wieder zurück fliegen. Ich passe gut auf, damit er niemals aus dem Fenster entwischt.«

    Sie wusste nicht, ob Cadell zugehört hatte, denn er fegte sie einfach zur Seite, um den Käfig vom Haken zu reißen. In ihrer Panik krächzte Cleopatra lauter denn je zuvor in ihrem Leben, als sie durch die Luft geschleudert und gegen die Wand geworfen wurde, doch die Stäbe ihres Gefängnisses retteten sie. Der Käfig fiel zu Boden. Marie sah ihren Vogel kauernd dasitzen und mit weit aufgerissenem Schnabel nach Luft schnappen. Als Cadell nochmals nach dem Käfig griff, rannte sie los. Zum ersten Mal setzte sie ihre ganze Kraft ein, um ihrem Gemahl Widerstand zu leisten, kratzte und trat nach ihm, bohrte ihre Zähne in den Arm, der Cleopatra Schaden zufügen wollte. Cadell verlor das Gleichgewicht und fluchte. Marie biss kräftiger zu, fassungslos, wozu sie fähig war, wenn der Zorn sie übermannte. Eine Weile schien ihr, dass sie in der Lage wäre, Cadell Einhalt zu gebieten, doch dann wurde sie gepackt und zur Seite geschleudert. Sie rappelte sich auf, bereute kurz ihren Ausbruch und überlegte, wie sie dem tobenden Gemahl Vernunft einreden konnte, denn andere Waffen als Worte hatte sie nicht. Er stand nur schwer da, musterte den Käfig, Marie und das ganze Zimmer. Dann blieben seine Augen an der Feuerstelle hängen. Als Marie begriff, welchen Plan er soeben gefasst hatte, stieß sie ein entsetztes »Nein« aus und ging wie eine Furie erneut auf ihn los.
    Doch sie kam zu spät. Der Käfig landete inmitten der Flammen. Noch einmal hörte sie Cleopatra schreien, als der Vogel entkommen wollte und gegen die Stäbe prallte.
    Verzweifelt griff Marie in das Feuer und riss den Käfig heraus, um ihn an sich zu pressen. In ihrem Schoß lag ein Bündel aus grünen Federn, die sich vereinzelt schwarz gefärbt hatten. Sie schüttelte den Käfig, rief zärtlich Cleopatras Namen, doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Jedes Zeichen von Leben war aus dem kleinen Körper gewichen. Sie stieß ein Wimmern aus, hörte es immer lauter werden und zu einem
heiseren Kreischen anschwellen. Dann wurde es plötzlich still. Maries ganzer Körper bebte, und sie schloss die Augen, um aus der Welt entfliehen zu können.
    »So, das wäre erledigt«, drang Cadells Stimme an ihr Ohr.
    Marie erstarrte, als würde ein Panzer aus Eis sie umschließen. Langsam richtete sie ihren Blick auf Cadell.
    »Wollt Ihr wissen, warum Gwenllian ferch Madog sich von Euch abwandte und Euren Bruder zum Gemahl nahm?«, fragte sie.
    Cadell sah sie erstaunt an.
    »Es lag nicht an Euren Verletzungen. Eine Frau, die liebt, würde einem Mann Trost spenden wollen, wenn er so viel Schreckliches erlitten hat. Und es lag auch nicht daran, dass Ihr nicht mehr der Herr von Deheubarth sein konntet. Aber als die normannischen Ritter Euch schlugen, da zerstörten sie mehr als nur Eure Kampffähigkeit. Sie töteten alles, was in Euch noch menschlich war. Deshalb hat Gwen Euch verlassen. Es gab nichts mehr, das sie an Euch hätte lieben können.«
    Sie hörte Cadell wüste Flüche ausstoßen, wurde gepackt und auf den Tisch geworfen.
    »Miststück. Du normannische Hure, dir werde ich es zeigen.«
    Hiebe gingen auf sie nieder, taten aber nicht mehr weh, denn sie war in ihrem Inneren bereits wie tot und konnte keinen Schmerz mehr empfinden. Ihr Gewand wurde hochgeschoben. Etwas drang in ihren Körper ein, und sie fragte sich, ob es Cadells Hand oder sein Stiefel war. Aber seine Schenkel lagen an den ihren, stießen sie immer wieder gegen die Tischkante. Es war der Wurm, stellte Marie verwundert fest. Zum ersten Mal vollzog Cadell mit ihr die Ehe auf die übliche Weise.

    Marie hörte Vogelgezwitscher, und der Gesang bezauberte sie. Es war wie einst in Huguet, als sie nach jedem Erwachen zufrieden einem neuen Tag entgegensah. Doch etwas stimmte nicht. Ihre Hände schmerzten, als habe man ihr die Haut abgezogen und nur rohes Fleisch zurückgelassen. Verwirrt schlug sie die Augen auf. Weiße Verbände erstreckten sich bis zu ihren Ellbogen.
    »Du hast ins offene Feuer gegriffen, Marie«, erklärte Hawisa. »Ich habe Angharad

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