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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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können. Deshalb nahm ich ihn. Ich brachte ihm Aquitanien und verlieh seinem schäbigen Hofstaat fürstlichen Glanz. Wir verstanden einander.«
    Marie lauschte gebannt. Mit dieser Geschichte kehrte die Erinnerung an einen längst vergangenen Märztag in Huguet zurück.
    »Hoheit, dürfte ich Euch etwas fragen?«
    »Nur zu.«
    »Seid Ihr zu der Zeit, da über die Auflösung Eurer Ehe mit Louis verhandelt wurde, einmal mit ein paar Rittern durch ein kleines Dorf in der Nähe von Paris geritten?«
    Die Königin schüttelte den Kopf und lächelte.
    »Woher soll ich das wissen? Ich bin in meinem Leben schon durch viele Dörfer geritten. Aber … warte einen Augenblick … Ich traf mich einmal heimlich mit Henri, das ist richtig. Da zog ich nur zu Pferd los, um nicht aufzufallen. Er hatte Angst, ich könnte es mir anders überlegen, denn ich war eine begehrte Partie. Er machte mir ein Geschenk, so einen gläsernen Becher, den er für wertvoll hielt, obwohl er uneben verarbeitet und brüchig war. Ich habe ihn bald schon versehentlich zerbrochen. Henri musste erst lernen, was wirklich edel ist.«
    Marie erinnerte sich an die Drohung des Mannes mit dem Schwert, sie zu töten, falls sie diesen billigen Becher zerbrach. »In diesem Dorf war ein kleines Mädchen, das Euch in diesem Becher Wasser brachte. Das war ich«, sagte sie mit gemischten Gefühlen. Lange hatte sie sich danach gesehnt, der Königin von ihrer ersten Begegnung zu erzählen.
    Aliénor sah sie nur kurz an.
    »Tatsächlich? Was für ein Zufall. Aber ich kann mich leider nicht an dich erinnern.«

    Marie nahm es hin. Sie fragte sich nur, welches Verhalten Aliénor nun von ihr erwartete. Sollte sie ihr wirklich beim Auskleiden helfen? Die Decke von dem in aller Eile mit Laken bezogenen Bett ziehen und alle Kerzen löschen?
    »Unter dem Bett müssten Fellpantoffeln stehen. Die bereiten Bedienstete im Winter immer für mich vor«, half Aliénor ihr aus der Verlegenheit. Marie lief gehorsam los.
    »Diese Rosamond ist ein sehr hübsches Ding«, sprach die Königin indessen weiter, während sie ihre Lederschuhe gegen die Pantoffeln tauschte. »Wenn sie einen Saal voller Ritter betritt, dann hängen sicher alle Blicke an ihr. So ist es bei mir auch sehr lange gewesen. Aber ich hätte mich an ihrer Stelle besser gegen eine zornige Ehefrau zu wehren gewusst, das kannst du mir glauben.«
    Das glaubte Marie gern.
    »In Vergleich zu Euch ist sie langweilig, Hoheit«, erklärte sie. »Der König wird ihrer bald überdrüssig werden.«
    Aliénor erhob sich mit einem leisen Stöhnen und legte beide Hände auf ihren gewölbten Bauch.
    »Dieses Kind macht mir zu schaffen«, murmelte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Es tritt mich ständig, und meine Beine sind geschwollen wie aufgequollener Teig. Dauernd wird mir übel.«
    »Das merkt man Euch nicht an, Hoheit.«
    »Natürlich nicht, dafür sorge ich«, erwiderte die Königin barsch. »Aber ich kann dieses Kind jetzt schon nicht leiden. Es wird mein letztes sein, das weiß ich.«
    Sie sank mit einem tiefen Seufzer auf das Bett, und Marie schob ihr rasch zwei Kissen unter die Beine.
    »Wenn das Kind auf der Welt ist, werdet Ihr sicher Freude an ihm haben«, meinte sie aufmunternd. »Und es muss nicht Euer letztes sein, denn der König wird diese Rosamond sicher bald vergessen.«

    Aliénor kicherte.
    »Wie jung du bist, Marie! Selbst wenn er Rosamond vergisst, werden andere frische Mädchen folgen. Er hatte schon immer Buhlen. Als ich in England ankam, stellte er mir gleich zwei seiner Bastarde vor und erwartete, dass ich für ihre Erziehung sorge. Aber das störte mich nicht, denn ich war seine Königin. Jetzt bin ich über vierzig. Er wird mich früher oder später abschieben wollen, denn was soll er mit einem grauhaarigen Weib anfangen, das ihm keine Söhne mehr gebären kann.«
    Sie drehte sich zur Seite und begann zu würgen. Marie sah sich hilflos im Raum um, dann entdeckte sie einen leeren Becher auf dem Tisch, den sie Aliénor hinhalten konnte, um das Erbrochene aufzufangen. Mit der anderen Hand schob sie das offene Haar der Königin zurück, wagte sogar, sanft über den schlanken, stolzen Rücken zu streichen. Als Aliénor wieder auf ihr Kissen gesunken war, schob Marie den verschmutzten Becher rasch in eine Zimmerecke, denn es war nicht der richtige Moment, nach einer Dienstmagd zu rufen. Sie nahm ein Tuch, das wohl zur Zierde auf dem Tisch lag, und tauchte es in den Wasserkrug, um es dann Aliénor

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