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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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im Rittersaal an der Seite seiner Gemahlin niederließ, schweifte sein Blick über die versammelten Gäste. Aliénor sah er kaum an, und als er sich einmal mit einer Frage an sie wandte, fehlte der strahlende Besitzerstolz in seinen Augen. Die Königin blieb jedoch völlig gelassen, trug weiterhin prächtige Gewänder und Juwelen zur Schau, um mit Selbstverständlichkeit Bewunderung auf sich zu ziehen. Als Aliénors erneute Schwangerschaft bekannt gemacht wurde, glaubte Marie, sich getäuscht zu haben. Die Gefühle des Königs für die schöne Dame konnten nicht erkaltet sein.
     
    Ungefähr ein Jahr nach Maries Ankunft in Angers führte das höfische Wanderleben sie wieder nach England. Henri blieb auf dem Kontinent zurück, um einige aufmüpfige Vasallen zu strafen, denen das Wetter nicht so gnädig gewesen war wie den Walisern. Nach der Überfahrt verbrachten sie ein paar Tage in Southampton, bis Aliénor beschloss, Woodstock aufzusuchen, wo ihr nächstes Kind geboren werden sollte. Marie sah dem Ort ihrer Verlobung mit gemischten Gefühlen entgegen. Der Park mit den wilden Tieren hatte ihr allerdings gefallen. Sie konnte sich kaum noch erinnern, wie dieses seltsame Kamel ausgesehen hatte, und brannte vor Neugier, erneut einen Blick auf die Kreatur aus dem Morgenland zu werfen.

    Die Reise verlief trotz heftiger Schneefälle ohne Schwierigkeiten. Marie teilte den Wagen mit Torqueri und Emma, denn die kleine Mathilde de Luci war in Rouen der Familie ihres Verlobten übergeben worden. Sie hatte es durchsetzen können, dass der frei gewordene Platz nun Hawisa zufiel, auch wenn Emma deshalb ihr Gesicht verzog.
    Sie saßen auf gepolsterten Kissen, die aber das Holpern des Wagens nicht ganz abfangen konnten. Trotz der Wolldecken biss eisige Winterluft in ihre Knochen. Der heiße, in Tücher gewickelte Stein, der in den Wagen gelegt worden war, wärmte schon längst nicht mehr.
    »Wie lange kann es noch dauern?«, fragte Emma gequält und rieb sich die Hände.
    »Vielleicht noch eine Stunde, wenn wir unterwegs nicht stecken bleiben«, erwiderte Hawisa gelassen und erntete einen giftigen Blick, da sie vergessen hatte, die königliche Schwester mit Ma Dame anzusprechen.
    »Es ist vielleicht keine gute Idee …«, begann Torqueri auf einmal.
    »Was ist keine gute Idee? Nach Woodstock zu fahren? Ich wäre viel lieber in Anjou geblieben. Dieses England ist trotz normannischer Herrschaft noch sehr unkultiviert«, ertönte wieder Emmas unzufriedene Stimme. Hawisa verzog das Gesicht, aber war vernünftig genug, keinen Streit zu beginnen.
    »Ich meine nicht England sondern Woodstock«, beharrte Torqueri. Nun nickte Hawisa nachdenklich.
    »Aber was ist denn so schlimm an Woodstock?«, mischte Marie sich ins Gespräch. »Es ist zwar klein, aber sehr bequem eingerichtet. Ich kann verstehen, dass Aliénor dort ihr Kind zur Welt bringen will.«
    »Es gibt Gerüchte«, sagte Hawisa leise, biss sich jedoch gleich auf die Lippen, und Emma grinste.
    »Was für Gerüchte?«, hakte Marie nach.

    Hawisa runzelte die Stirn, holte Luft, doch Torqueri fiel ihr ins Wort.
    »Wenn sie stimmen, wirst du es bald erfahren. Und falls sie falsch sein sollten, ist es besser, du hast nie von ihnen gehört.«
    Marie schwieg verwirrt.
    »Wer ständig schreibend und lesend in einer kleinen Kammer sitzt, versäumt eben einiges«, fügte Emma hinzu. »Wenn ihr mich fragt, dann will die Königin nach Woodstock, um herauszufinden, was von diesen Gerüchten zu halten ist. Ich könnte wetten, dass sie keinen Boten losgeschickt hat, um ihre Ankunft anzukündigen.«
    Torqueri warf Emma einen tadelnden Blick zu, und Marie begriff, dass sie wirklich nicht weiter nachfragen sollte. Unruhig rutschte sie auf der Bank hin und her, bis der verschneite Park von Woodstock an ihnen vorbeizog und der Wagen am Eingangstor der Burg endlich zum Stillstand kam.
    Aliénor war als Erste aus ihrer Sänfte gestiegen. Obwohl sie bereits hochschwanger war, hielt sie sich aufrecht wie immer und ging mit schnellen Schritten auf den Mann zu, der am Eingangstor aufgetaucht war. Offenbar war er der Verwalter, der sich um die Burg kümmerte, wenn der Hofstaat sich an einem anderen Ort aufhielt. Marie meinte, einen verlegenen, fast verzweifelten Ausdruck auf seinem Gesicht zu erkennen, als er vor der Königin die Knie beugte und leise ein paar Worte von sich gab, die Marie nicht verstehen konnte.
    »Es ist mir gleich, wenn noch nichts vorbereitet wurde«, zischte Aliénor. »Wir haben eine

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