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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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freudig die Stille. »Das wird mein Goldjunge werden.«
    Dann entließ sie ihre Damen.
     
    Der Frühling zog ins Land. Zusammen mit den anderen Damen unternahm Marie Spaziergänge und Ausritte, doch war
vorerst keine Jagd geplant, was sie nicht weiter störte. Guy de Osteilli war gemeinsam mit dem walisischen Barden am Hofe Henris geblieben. Es gab Gerüchte, der König sei nach England zurückgekehrt, um sogleich gen Woodstock zu reiten. Vermutlich drangen sie auch an Aliénors Ohren, doch die Königin beschäftigte sich unbeirrt mit ihren Briefen und Stickereien, las gemeinsam mit Richard die Geschichte der englischen Könige von Geoffroy de Monmouth und ermunterte ihren Lieblingssohn immer wieder, Marie auf der Harfe zu begleiten, wenn sie ihre Lais vortrug. Marie gewöhnte sich an die Gegenwart des Prinzen, empfand ihn allmählich als weniger einschüchternd. Manchmal schenkte der verschlossene Junge ihr im Rittersaal ein zartes Lächeln, und es freute sie, dass der eindrucksvolle Richard seine dichtende Cousine zu mögen schien.
    Bei einem der abendlichen Gelage im Rittersaal, noch bevor die Gaukler und Musikanten auftraten, erhob sich Aliénor auf einmal und bat um Ruhe.
    »Ich habe eine wichtige Neuigkeit zu verkünden«, begann sie. »Meine Tochter Matilda wird in einem Monat aufbrechen, um Heinrich den Löwen, Herzog von Sachsen zu heiraten. Ich begleite sie bis Rouen, wo eine Eskorte ihres zukünftigen Gemahls sie in Empfang nehmen wird.«
    Marie begann zu frösteln, derart wurde sie in diesem Augenblick an jenen Abend in Woodstock erinnert, da ihre eigene Heirat verkündet worden war. Sie richtete ihren Blick besorgt auf die gerade zwölfjährige, die ein Stück von Aliénor entfernt bei ihrer Schwester Eleanor saß. Das ruhige, ernste Mädchen verzog keine Miene, schien nur leicht verlegen, von so vielen Leuten angestarrt zu werden. Die unmittelbar bevorstehende Heirat kam für sie offenbar nicht überraschend. Auch die anderen Leute im Saal machten keinen allzu verstörten Eindruck. Marie wurde klar, dass ihr
wieder einmal so einiges an Klatsch, der in der Burg kursierte, entgangen sein musste.
    Doch Aliénor war noch nicht fertig.
    »Sobald ich mich von meiner Tochter verabschiedet habe, möchte ich in meine Heimat zurückkehren. Dieses England ist kalt und windig. Mir fehlen die Sonne, der Duft von Pinien und der Gesang der Troubadoure. Viel zu lange bin ich von einer kahlen Burg in die nächste gezogen. Ich will mit meinem Hofstaat nach Poitiers übersiedeln. Mein Sohn Richard wird mich begleiten. Es ist mein Wunsch, dass er der nächste Herzog von Aquitanien wird. Meinem Gemahl habe ich dies bereits mitgeteilt und sein Einverständnis erhalten.«
    Nun wurde es laut im Saal, nur Richard saß völlig gelassen da.
    »Es steht all meinen Gefolgsleuten zu, frei zu entscheiden, ob sie mich begleiten wollen oder in den Dienst meines Gemahls treten möchten«, fügte die Königin hinzu.
    Das Stimmengewirr verebbte allmählich, während Aliénors Damen einander nur irritiert anblickten.
    »Wie stellt sie sich das vor?«, flüsterte Emma in Maries Ohr. »Henri wird kaum Verwendung für ein paar stickende Grazien haben. Oder sollen wir jetzt der schönen Rosamond Gesellschaft leisten?« Sie lachte kurz auf, um dann völlig ernst hinzuzufügen. »Das will ich nicht. Die Kleine hat mir nicht gefallen.« Nach diesen Worten stand Emma auf und wandte sich an die Königin: »Hoheit, ich käme sehr gern mit Euch, wenn es mir gestattet ist«, erklärte sie. Emmas spontane Erklärung zog weitere nach sich. Marie sah erwartungsvoll in Torqueris Richtung, doch der Blick der alten Dame war auf ihre im Schoß gefalteten Hände gerichtet. Sie selbst empfand nur Verwirrung und etwas Wehmut, denn sie hatte ihr eigenes Gemach in Westminster zu schätzen gelernt. Nach Jahren des Herumziehens gab es endlich
wieder ein Zuhause, das sie nun verlieren würde. In der allgemeinen Aufregung spürte sie plötzlich Aliénors erwartungsvollen Blick auf sich ruhen. Wieder ließ der Stolz ihr Herz schneller schlagen. Sie musste der schönen Dame tatsächlich wichtig sein, wenn so viel Wert auf ihre Antwort gelegt wurde. Sie nickte nur, denn es schien ihr selbstverständlich, Aliénor an jeden Ort der Welt zu folgen.
     
    »Was ist mit dir?«, wandte Marie sich an Torqueri, als sie den Rittersaal verließen. »Ist Aquitanien nicht auch deine Heimat?«
    Die ältere Dame hielt den Kopf gesenkt.
    »Ja, das ist richtig. Aber meine Jugend liegt

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