Die Dichterin von Aquitanien
lange Reise zurückgelegt und sind alle erschöpft. Wir werden uns ausruhen und, am nächsten Tag einen längeren Spaziergang im Park machen, damit die Dienstboten genug Zeit haben, unsere Gemächer angemessen herzurichten.«
Die Lippen des Burgverwalters bewegten sich noch, als Aliénor an ihm vorbeieilte. Marie hörte Torqueri seufzen.
»Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir ganz und gar nicht«, meinte sie kopfschüttelnd. »Aber wir gehen jetzt am besten mit hinein.«
Sie durchquerten das Eingangstor, und Marie sah ein paar Bedienstete aufgeregt herumhuschen und tuscheln. Emma hatte wohl recht gehabt: Die Königin war unangekündigt eingetroffen.
Aliénor hatte eine Tür geöffnet und stand nun wie eine majestätische Statue in deren Rahmen. Wieder seufzte Torqueri besorgt auf. Sie versammelten sich hinter dem Rücken der Königin, um geduldig zu warten. Schließlich ging die Königin weiter. Sie tat es langsam, als koste jeder Schritt sie Überwindung.
Das königliche Gemach machte durchaus einen ordentlichen Eindruck. Teppiche waren ausgelegt worden, Pergament deckte die Fensteröffnung ab. Wärmende Flammen in der Feuerstelle bekämpften die eisige Kälte des Winters. Aus der geöffneten Truhe in einer Ecke ragten ein paar bunte Stoffzipfel. Auf dem Tisch stand ein Brett mit abgenagten Hühnerknochen, daneben ein halb voller Weinbecher.
Hinter dem Tisch saß Rosamond de Clifford auf einem Faltstuhl.
Die Rose stand nun in voller Blüte. Ihr Gesicht war voller und weicher geworden, die veilchenblauen Augen hatten ihren leeren Ausdruck verloren. Marie fielen Cadells derbe Worte wieder ein. Hatte das Mädchen in der Zwischenzeit bekommen, was ihm damals in Wales gefehlt hatte, um sich erfüllt zu fühlen?
Ohne Zögern stand Rosamond auf, um die Königin mit dem angemessenen Kniefall zu begrüßen. Dabei schienen ihre Augen wieder Maß zu nehmen und abzuwägen, was von
der unbekannten Frau zu halten war. Die vollen Lippen wurden etwas schmaler. Sie hatte wohl nicht mit einer derart würdevollen Erscheinung gerechnet, die mit völliger Selbstverständlichkeit ihren gewölbten Bauch vor sich her trug. Ein unwiderlegbarer Beweis, dass der König dem ehelichen Bett nicht ferngeblieben war.
»Seid Ihr eine der Bediensteten, Demoiselle? Ich bin bereit, Euer ungehöriges Betragen zu vergeben, aber nun verlasst bitte mein Gemach«, meinte Aliénor mit einem großzügigen Lächeln.
Rosamonds Hände ballten sich zu kleinen, schwachen Fäusten. Ihr fehlte Aliénors lange Übung darin, andere Menschen in Grund und Boden zu blicken. Mühsam zog sie die Schultern zurück.
»Ich bin keine Bedienstete, Hoheit. Ich bin die Tochter Walter de Cliffords, eines Lords aus Wales. Euer Gemahl hat mir gestattet, hier zu wohnen. Ich habe das Kloster von Godstow besucht, wo ich erzogen wurde, aber … Aber dort gab es leider keine Unterkunft für mich, und daher darf ich hierbleiben, da es in Wales zurzeit sehr gefährlich für Normannen geworden ist.«
Aliénor nahm diese Worte mit einem gelassenen Nicken zur Kenntnis.
»Es war sehr umsichtig von Eurem Vater, Euch in einem Kloster aufwachsen zu lassen, wo Ihr Demut und vor allem Keuschheit lernen konntet.«
Nun duckte Rosamond sich ein wenig, als habe sie einen Hieb erhalten.
»Ich weiß, dass mein königlicher Gemahl ein großmütiger Mann ist«, fuhr Aliénor genüsslich fort. »Er bietet den Armen dieser Welt, die kein Dach mehr über dem Kopf haben, gern seinen Schutz an. Ihr könnt hier weiter verweilen, Demoiselle … Oh, verzeiht mir, dass ich Euren Namen
nicht mehr weiß. Ich werde mir einen angemesseneren Ort suchen, wo ich den Winter verbringen kann. Diese Burg hat sich sehr verändert. Es riecht merkwürdig hier. Ich würde fast sagen wie … Nun, mir fehlt da leider die Erfahrung, aber ungefähr so schmutzig und abgeschmackt stelle ich mir ein billiges Hurenhaus vor.«
Der rosige Ton auf Rosamonds Gesicht verblasste, während Aliénor auf dem Ansatz kehrtmachte und das Gemach verließ. Marie folgte gemeinsam mit den anderen Damen. Im Eilschritt ging es die Treppen hinunter.
»Wo ist hier die nächste Burg? Ich habe es vergessen«, rief Aliénor ungeduldig.
»Beaumont«, erwiderte Emma.
»Nun, dann lasst uns nochmals aufbrechen, solange es noch hell ist.«
Mit energischer Stimme rief Aliénor ihre Bediensteten und restlichen Damen zum neuen Aufbruch. Ein lautes, mitunter empörtes Gemurmel erklang, doch niemand wagte es, sich dem Wunsch der Königin zu
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