Die Dichterin von Aquitanien
verflucht!«, forderte die Königin nochmals ihre Ritter auf. Einige begannen sich ratlos zu rühren, doch Foulques hob nun selbst die Hand.
»Wir kämpfen nicht. Es wäre sinnlos. Sie sind in der Überzahl.«
»Was soll das heißen? Hier erteile immer noch ich die Befehle!«, hallte Aliénors Stimme durch die Finsternis. Eine berittene Gestalt löste sich aus dem Kreis der Unbekannten und kam auf sie zu.
»Ma Dame, ich bin Robert Malduit und heiße Euch im Namen des Königs von England, Grafen von Anjou und der Normandie, willkommen. Er wartet bereits mit großer Ungeduld auf Euch«, erklärte er spöttisch. Foulques und ein paar andere Ritter, die Aliénor begleitet hatten, gesellten sich mit solcher Selbstverständlichkeit zu den Angreifern, dass
Maries letzte Zweifel über ihre Rolle in dieser Geschichte schwanden. Sie meinte, wieder Emmas Stimme in ihrem Kopf zu hören: »Reite nicht mit der Königin!«
Auch die Tante musste von dem geplanten Verrat gewusst haben. Während Marie versuchte, ihre wirren Gedanken zu ordnen, hörte sie einen jungen Geistlichen an ihrer Seite Gebete murmeln.
»Verschwindet! Schert Euch zur Hölle!«, schrie die Königin plötzlich aus Leibeskräften und riss einen Dolch von ihrem Gürtel. Wie von einem Dämon besessen hieb sie auf jene Männer ein, die herangeritten waren, um sie von ihrem Pferd zu zerren. Es brauchte drei Ritter, um ihr die Waffe zu entwinden, nachdem sie etliche Tritte und Schnittwunden verteilt hatte. Dann wurde sie als zappelndes Bündel fortgeschleppt. Marie beobachtete das Geschehen wie versteinert, während der junge Troubadour aus Aliénors Gefolge seinem Pferd die Sporen gab und davonstob, ohne aufgehalten zu werden. Kurz erwog sie, ihm zu folgen, vermochte Aliénor in ihrem aussichtslosen Kampf aber nicht allein zu lassen. Ein fremder Ritter spähte schließlich neugierig in ihr Gesicht, um dann die Zügel ihres Pferdes zu ergreifen.
»Ihr seid auch so eine verkleidete Amazone. Eine Dame der Königin, nicht wahr? Kommt einfach mit«, meinte er mit durchaus freundlicher Stimme. Der Zelter, auf dem sie saß, setzte sich folgsam in Bewegung und trug Marie in eine Zukunft, die sie nicht wollte.
Ein Lichtstrahl drang ins Zimmer, fiel auf kahle Steinwände. In der Mitte des Raums stand ein schlichtes Bett mit einer Strohmatte, auf der Aliénor lag wie eine aufgebahrte Tote. Eine Magd hatte ihnen Brot, Wasser und etwas Pökelfleisch gebracht. Das Essen lag unberührt auf einem Tisch neben dem Bett.
»Weißt du, wo wir hier sind?«
Diese Frage war Aliénors erstes Lebenszeichen, seitdem sie unsanft in den Raum gestoßen worden waren. Marie drückte ihr Gesicht gegen die Schießscharte, durch die das Licht fiel, doch vermochte sie nichts als Mauern zu erkennen.
»Während des Ritts war es stockdunkel, und dann zog man auch mir einen Sack über den Kopf, bevor das Tor geöffnet wurde«, sagte sie. »Ich glaube, kurz einen schmalen Fluss gesehen zu haben. Und die Umrisse einer riesigen Burg. Wir könnten in Chinon sein.«
Aliénor richtete sich auf. Ein wunder Fleck entstellte ihre rechte Wange. Vermutlich würde er sich bald grün und blau verfärben.
»Ich möchte jetzt endlich Henri sehen!«, schrie sie niemand Bestimmten an. Die Steinwände blieben stumm.
»Er kann mich nicht einfach in so ein Loch werfen! Ich bin seine Königin und die Herzogin von Aquitanien. Wenn Richard erfährt, wie sein Vater mich behandelt, wird er sofort losziehen, um mich zu befreien.«
Diese Worte schienen sie zu erleichtern. Sie griff nach dem Brot, biss hinein und schleuderte es sogleich wütend gegen die Mauern.
»Damit füttert man Schweine!«
Rastlos sprang sie auf und drehte eine Runde durch das Zimmer.
»Bald schon ist Richard hier. Nur ein paar Tage, eine Woche höchstens«, murmelte sie unterdessen. Marie füllte die zwei hölzernen Becher mit Wasser. Zaghaft hielt sie einen davon Aliénor hin. Er wurde ihr aus der Hand geschleudert. Sie zuckte mit den Schultern und nippte an dem ihren. Ihre Kehle war ausgetrocknet. Vermutlich sollte sie auch essen, aber ihr Magen schien wie zugeschnürt.
»Richard muss zuerst erfahren, wo Ihr seid, Hoheit«, warf
sie vorsichtig ein. »Ich fürchte, man hat uns hier heimlich hereingeschmuggelt.«
Aliénor fuhr herum.
»Das kann Henri nicht machen! So lasse ich mich nicht behandeln! Ich bin nicht seine Dienstmagd.«
Vor der Tür waren Schritte zu hören.
»Da drin ist sie? Wirklich? In diesem winzigen Turmzimmer?«, war
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