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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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noch ein Paar Lederstiefel neben den Tisch.
    Marie warf einen Blick auf ihr vertrautes Gemach, wo sie die meisten ihrer Lais verfasst und mit Jean die Liebe kennengelernt hatte. Entschlossen verdrängte sie ein Gefühl der Wehmut, das ihre Kehle beengte und Tränen in ihre Augen trieb. Sie musste an die Zukunft denken, anstatt zu trauern, dass sie wieder einmal ein Zuhause verlor. In Paris würde ihr neues Leben beginnen, sobald Jean und ihre Tochter dort eingetroffen waren. Auch ohne eigenes Land kämen sie irgendwie zurecht.

    »Wann sollen wir aufbrechen?«, fragte sie.
    »Completorium. Sobald es dunkel wird«, erwiderte Hawisa. »Packe einen Beutel, den du an den Sattel bindest. Mehr kannst du kaum mitnehmen.«
    Marie nickte und ging rasch den Bestand ihrer Bücher durch. Den glatten, glänzenden Stein hatte Jean nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht bei sich behalten. Sie hatte ihm auch das Rabenamulett Angharads gegeben, bevor er zu seiner Familie aufgebrochen war. Der Besitz eines heidnischen Gegenstands hatte ihr selbst bisher kein Unglück gebracht, und vielleicht vermochte die alte walisische Göttin Jean auf seiner Reise nach Paris zusätzlichen Schutz zu bieten. Sie packte die Geschichte von Erec und seiner Enid ein, die ihr von der Gräfin de Champagne zum Abschied geschenkt worden war. Der Brutusroman von Wace folgte, dann noch Pergamentrollen mit ihren Lais und einigen fremden, die sie gemocht hatte. Ovids Kunst der Liebe ließ sie zurück. Auf Schmuck und Bliauts musste sie wohl verzichten. In Paris würde Aliénor sicher schnell für die angemessene Ausstattung ihrer Hofdame sorgen.
    Hawisa trug kurz darauf ein spärliches Mahl herein, denn ein Gelage im großen Saal würde es heute nicht geben. Gemeinsam verspeisten sie Brot und Ziegenkäse, leerten zwei Becher Wein.
    »Willst du wirklich nicht mit mir kommen?«, wiederholte Marie eine Frage, die sie in den letzten Wochen immer wieder gestellt hatte. Hawisa schüttelte den Kopf.
    »Zu viele als Männer verkleidete Frauen würden auffallen«, meinte sie nur. »Und das Gerücht von berittenen Amazonen würde Henri gleich klarmachen, wer hier unterwegs ist.«
    Marie zwang sich zu lächeln, obwohl ihr nicht nach Scherzen zumute war.

    »Du bräuchtest dich nicht zu verkleiden. Warum soll ein Ritter nicht sein Mädchen bei sich haben?«
    »Es ist besser, wenn ich hierbleibe«, beharrte die Zofe.
    »Aber du folgst mir doch nach Paris? Es wird dir dort gefallen. Viele junge Männer am Hof des französischen Königs würden sicher gern eine hübsche Engländerin wie dich kennenlernen.«
    Marie bemerkte verstört, dass Hawisa den neckenden Ton ignorierte und nur nachdenklich an ihrem Weinbecher nippte.
    »Ich muss dir etwas sagen«, begann sie mit beängstigendem Ernst. »Ich wollte es schon die ganze Zeit tun, habe aber einfach nicht den richtigen Augenblick gefunden.«
    »Worum geht es?«
    Hawisa holte Luft und stellte den Weinbecher energisch auf dem Tisch ab.
    »Ich möchte mich vermählen. Als deine Dienerin sollte ich dich um Erlaubnis bitten. Das tue ich hiermit.«
    Marie stieß ein leises Lachen aus.
    »Dann hast du also endlich unter zahllosen Anwärtern den Richtigen gefunden. Wer ist er denn?«
    »Sein Name ist Laurent. Er kam im Gefolge des Grafen von Salisbury und ist hier Wachmann am Tor.«
    »Jener Wachmann, der dir gleich Bescheid gab, als Jean damals eintraf?«
    Hawisa nickte nur. Marie schüttelte ein klammes Gefühl von Verlust ab.
    »Du kannst heiraten, wen du willst. Mit deiner reichen Erfahrung hast du sicher eine weise Entscheidung getroffen«, spöttelte sie. »Aber warum reist du nicht mit deinem Zukünftigen nach Paris? Ich regle das mit Aliénor.«
    Hawisa seufzte auf.
    »Es tut mir sehr leid, Marie, aber Laurent will versuchen,
sich dem König anzuschließen, wenn er hier eintrifft. Er hat Verwandte in England, die er nicht auf Dauer missen will. Auch ich möchte wieder nach London, um meinen Bräutigam meiner Familie vorzustellen. Ich wünsche mir von Herzen, dass sie ihn akzeptieren, obwohl es nicht einfach sein wird.«
    Marie senkte den Blick. Sie hatte kein Recht, Hawisa gegen ihren Willen bei sich zu halten, doch fühlte sie sich auf einmal so allein wie ein aus dem Nest gefallener Vogel.
    »Warum meinst du, es wird nicht einfach sein? Dein Vater machte damals einen gutmütigen Eindruck, und was deine Brüder betrifft, so werden sie froh sein, dich wieder bei sich zu haben«, versuchte sie, Hawisa dennoch Mut zu schenken. Sie

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