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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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wollte sich in Frieden von ihrer langjährigen Vertrauten trennen.
    »Es ist so … Also Laurent ist wirklich ein netter Kerl und gar nicht überheblich, aber trotzdem ist er … Er ist …«, stammelte Hawisa unsicher.
    Ein Geistesblitz ließ Marie laut auflachen. »Er ist Normanne, nicht wahr?«
    Hawisas verlegener Blick verdrängte die letzten Zweifel.
    »Immerhin hat das Herumreisen an meiner Seite dich gelehrt, nicht alle Menschen nach ihrer Herkunft zu beurteilen«, stellte Marie zufrieden fest. Dann dämpfte das Wissen um ihre Lage alle Heiterkeit.
    »Ich wünsche dir Glück. Wenn du trotzdem Hilfe brauchst, damit du oder dein Gemahl eine gute Stellung finden könnt, so komme einfach zu mir.«
    Hawisa nagte an ihrer Unterlippe. Ihre Augen waren feucht geworden.
    »Ich werde für dich beten, damit auch du bald den Mann deiner Wahl heiraten kannst. Und eines Tages sehen wir uns wieder. Da bin ich mir sicher«, rief sie und schloss Marie in
die Arme. Eine Weile hielten sie einander fest, bis Marie sich schließlich aus der Umarmung löste. Es dämmerte bereits, und sie musste sich für die Flucht nach Paris ankleiden.
    »Geh jetzt zu deinem Laurent, der sicher schon wartet. Ich werde mich allein fertig machen.«
    Hawisa wischte sich Tränen aus den Augen.
    »In dem Beutel ist auch eine Coiffe, unter der du dein Haar verbergen musst. Sonst sieht jeder, dass du eine Frau bist. Schnüre den Gürtel nicht zu fest. Der Kittel sollte locker an deinem Körper hängen, um seine Formen zu verbergen. Jetzt ist nicht der richtige Anlass, um eitel zu sein.«
    »Ich verstehe. Ob Aliénor das wohl auch fertigbringt?«, spottete Marie. Es gelang ihnen beiden, kurz aufzulachen.
    »Gute Reise, Marie. Grüße Jean von mir«, meinte Hawisa schließlich und fiel ihr noch einmal heftig um den Hals. Dann war sie verschwunden. Die Stille in dem Gemach schien gespenstisch. Marie legte Bliaut und Chemise ab, um dann in die Beinkleider zu schlüpfen. Es war ein ungewohntes Gefühl, vollständig angezogen zu sein und trotzdem die eigenen Beine zu sehen. Das Kratzen des wollenen Kittels weckte Erinnerungen an ihre Kindheit. Sie schenkte sich noch einen Becher Wein ein und versuchte, sich ihr Wiedersehen mit Jean in Paris auszumalen, um das Gefühl der Einsamkeit zu betäuben. Bei dem letzten Schluck war ihr etwas wohler zumute. Sie ging zur Tür. Im Hof sollte sie auf Aliénor warten.
    Da klopfte es an der Tür. In der Hoffnung, dass Hawisa ihre Meinung geändert hatte, öffnete Marie und blickte in Emmas geschminktes Gesicht. Schweigend musterten sie einander.
    »Es stimmt also. Sie will dich mitnehmen«, meinte die Tante, deren Blick auf Maries mit Leder bedeckte Beine gerichtet
war. Marie nickte. Jeder Widerspruch schien überflüssig. Sie fragte auch nicht, woher Emma von dem heimlichen Aufbruch nach Paris wusste. Ihre Tante bekam immer mit, was bei Hof vor sich ging.
    »Marie!« Die langen, schlanken Finger legten sich um ihr Handgelenk. »Ich weiß, dass ich nicht immer nett zu dir war. Aber auf meine Art habe ich dich gern. Du bist der einzige Mensch bei Hof, der mein Schicksal als Bastardtochter der Königsfamilie teilt.«
    Marie begriff den Grund für diesen plötzlichen Gefühlsausbruch nicht. Schmerzte es ihre Tante derart, sich nun von ihr trennen zu müssen?
    »Vielleicht treffen wir eines Tages wieder aufeinander. In der Zwischenzeit werde ich für dein Glück beten, Emma«, versprach sie.
    »Und ich sorge mich um deines«, entgegnete die junge Tante sogleich. Sie trat einen Schritt näher, sodass sie Marie wieder ins Gemach drängte. Der Druck ihrer Finger nahm zu.
    »Reite nicht mit der Königin«, bat sie flüsternd. Ihre grünen Augen bohrten sich in Maries Gesicht. »Frage mich bitte nicht, weshalb ich das sage, aber höre auf mich. Geh nach Bordeaux zu deinem Jean. Oder bleibe einfach hier, so wie ich, Marguerite und Alais. Was kann Henri uns schon vorwerfen? Doch wenn du mit Aliénor reitest, zeigst du ihm ganz klar, auf wessen Seite du stehst.«
    Marie wehrte sich gegen ein klammes Gefühl der Angst. Warum musste Emma ausgerechnet jetzt auftauchen und sie in ihrem gefassten Entschluss verunsichern?
    »Henri könnte mich zu meinem Gemahl nach Wales schicken. Meine Ehe war die Hölle, deshalb muss ich mit Aliénor fliehen«, ordnete sie laut die Gedanken in ihrem Kopf. Emma presste die Lippen zusammen. Ihr Brustkorb
hob sich, als wolle sie Luft für neue Worte holen, doch plötzlich ertönte eine Männerstimme hinter

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