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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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»Sich mit Richard nach Aquitanien zurückziehen. Doch stattdessen hat sie mir meine Vasallen abspenstig gemacht. Einen nach dem anderen. Nicht das französische Lämmchen Louis hat diese Verschwörung angezettelt, die mich fast zu Fall gebracht hätte. Auch nicht meine Söhne, denn die waren zu jung. Aliénor hat all dies in die Wege geleitet. Habe ich eine Frau geheiratet oder eine Furie?«
    Marie hatte nicht den Eindruck, dass eine Antwort erwartet wurde. Sie staunte nur, in Henris Stimme ebenjene widerwillige Bewunderung zu hören, mit der auch Aliénor seinen Einfallsreichtum anerkannt hatte, als er ein Söldnerheer aus dem Boden gestampft hatte.
    »Was wird nun geschehen?«, fragte sie freiheraus. Ihr Onkel schien auf einmal zu menschlich, um ihr weiter Angst einzuflößen.
    »Ja, was soll ich mit ihr machen?«, wiederholte Henri die
Frage, mehr an sich selbst denn an Marie gewandt. »Ich werde ihr niemals wieder trauen können.«
    In seiner Stimme lagen weder Zorn noch Trauer, lediglich Ratlosigkeit. Ein rettender Gedanke schoss Marie durch den Kopf. Sie holte Luft.
    »Lasst Euch scheiden. Ihr seid enger mit ihr verwandt, als Louis es war«, erklärte sie spontan. Vielleicht würde Aliénor sie verfluchen, wenn sie von diesem Vorschlag hörte, aber es schien die beste Lösung. Sie könnten nach Poitiers zurückkehren. Der Hof würde wieder in seinem Glanz erblühen, so wie in jener herrlichen Zeit vor dem Krieg.
    Henri seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, die dadurch noch stärker zu glänzen begann, da er das Fett des Hühnerknochens nicht abgewischt hatte. Waren mit Aliénor sämtliche feinen Manieren aus seinem Leben verschwunden?
    »Ich habe an eine Scheidung gedacht«, gestand er. »Ich könnte Rosamond von ihren Gewissensqualen befreien, eine Ehebrecherin zu sein, sie vielleicht doch heimlich heiraten und weitere Kinder zeugen.«
    Marie schluckte eine empörte Erwiderung hinunter. Aliénor hatte Henri acht Kinder geboren. Genügte das nicht?
    »Ein Mann kann niemals genug Kinder haben«, erklärte Henri, als habe er Maries Gedanken gelesen. »Doch wenn ich mich von Aliénor scheiden ließe, müsste ich auf meine Oberherrschaft über Aquitanien verzichten. Und die Herzogin wäre auf freiem Fuß. Wer weiß, was ihr noch an Intrigen und Aufständen einfällt? Sie wird noch als ergraute, faltige Greisin in der Lage sein, Menschen einzuwickeln, glaub mir! Ich kann sie nicht freilassen. Niemals wieder.«
    Marie schlang die Arme um ihre Schultern. Sie fror trotz des prasselnden Feuers.
    »Ihr wollt sie gefangen halten? Wie lange?«

    Henri zuckte mit den Schultern.
    »So lange wie nötig. Sie ist über fünfzig. Vielleicht löst das Problem sich in ein paar Jahren von selbst.«
    Marie wollte laut schreien und um sich schlagen, doch hätte das nichts an der Lage geändert. Henri streckte die Beine aus und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
    »Jetzt hält meine kleine Nichte mich für einen großen, bösen Tyrannen, habe ich nicht recht?«
    Seine Augen funkelten spöttisch. Marie schwieg. Sie war nicht in der Lage zu heucheln.
    »Aber sag mir, Marie«, fuhr der König fort. »Was hätten meine liebevolle Gemahlin und meine reizenden Söhne wohl mit mir gemacht, wenn sie den Krieg gewonnen hätten?«
    Marie hatte sich mit dieser Frage bisher kaum beschäftigt, aber sie wusste, welches ungeschriebene Gesetz seit Menschengedenken die Nachfolge unter Herrschern regelte: Bevor der junge König den Thron besteigen konnte, musste der alte König sterben.
    Sie richtete ihren Blick mit plötzlicher Einsicht auf Henri. Er schien sie ohne Worte zu verstehen, denn der Spott schwand aus seinen Augen. Wieder wurde ihr ein Becher Wein hingehalten, was Marie eine völlige Verkehrung der Natur erschien. Ein König bediente seine Untertanen nicht. Wollte dieser Mann plötzlich einfach nur ihr Onkel sein? Endlich fand Marie den Mut zu jener Frage, die sie am meisten beschäftigte: »Was habt Ihr denn mit mir vor?«
    Henri zog die Brauen hoch.
    »Du, meine kleine Nichte, hast mir einiges verschwiegen.«
    Marie zuckte zusammen. Jetzt also käme es doch, das vernichtende Urteil, vermutlich gefolgt von einer harten Strafe. Sie sah, wie Henri in einer Truhe zu wühlen begann.
Nach längerem Suchen zog er mehrere Seiten Pergament heraus, das mit klaren, verzierten Schriftzügen bedeckt war. Energisch hielt es ihr hin. Marie erkannte einzelne Worte, die ihr vertraut waren, denn sie waren ihrem eigenen Kopf

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