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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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nicht viel mehr waren als hübsch anzusehende Tauschobjekte?
    »Das Strafen überlasse ich Gott dem Herrn«, meinte sie nur und schob Marianne hinaus. Das Mädchen war fleißig und wollte gern im Kloster bleiben, doch ihr Vater, ein wohlhabender Tuchhändler, hatte andere Pläne für sie. Marie nahm sich vor, mit der Äbtissin zu reden, die dank ihrer Verwandtschaft mit der königlichen Familie einigen Einfluss besaß. Vielleicht konnte an Mariannes Los etwas geändert werden, wenn man ihrem Vater gute Geschäftsbeziehungen zu höchsten Kreisen versprach.
    Dann machte Marie sich auf den Weg in die Kirche, denn es würde einen schlechten Eindruck machen, wenn die Lehrerin selbst zu spät zur Andacht erschien. Sie eilte durch den Gang und warf der Magd, die sich ihr in den Weg stellte, zunächst einen verärgerten Blick zu.
    »Die Gemahlin des Stallmeisters möchte Euch gern sprechen, Schwester Marie«, erklärte das Mädchen sein Verhalten. Marie zögerte. Sie freute sich jedes Mal, Hawisa zu sehen, für deren Laurent sie eine gut bezahlte Stellung im Kloster hatte beschaffen können. Die Äbtissin liebte ihre Pferde und ritt gern mit den Adeligen des Umlands zur Jagd. Vielleicht würde Hawisa eine Weile warten, doch einen Haushalt mit vier Kindern zu verwalten, kostete Zeit. Marie beschloss, dass ihre Tante, die Äbtissin, ihr vergeben würde, wenn sie einem der acht täglichen Gebete fernblieb. Sie wies die Magd an, Suppe und Wein zu bringen, dann betrat sie ihr Gemach, das unmittelbar neben den Räumen der Äbtissin lag. Hawisa saß dort auf einer Bank. Die Geburten hatten ihren Leib weicher und fülliger werden lassen, doch das Gesicht unter der weißen Haube strahlte weiterhin zarte Anmut aus.

    »Ich muss mit dir reden«, begrüßte sie Marie sogleich.
    »Was gibt es denn?«
    »Setz dich erst einmal hin«, forderte Hawisa sie auf. Marie gehorchte, denn ihre einstige Zofe konnte immer noch sehr resolut sein.
    »Du bist zufrieden in diesem Kloster, nicht wahr?«, fragte Hawisa unvermittelt.
    Marie nickte, obwohl sie den Grund für diese Frage nicht verstand. Nach Jahren des Wartens auf Jean, da sie sich vor Sehnsucht nach seinem Körper nachts die Finger wund gebissen und ihn manchmal verflucht hatte, sie im Stich gelassen zu haben, war die Qual allmählich weniger brennend geworden. Wie ein Stein, der einen unerwarteten Tritt erhalten hatte, war ihr Leben in eine ungeplante Richtung gerollt.
    Ihre recht freie Übersetzung der Fabeln, die sie auf Rat der Äbtissin hin dem edlen Ritter William gewidmet hatte, da er den König selbst einmal gefragt haben sollte, ob die begabte Marie denn nichts mehr schrieb, war auf noch größere Begeisterung gestoßen als die Lais. Danach hatte sie zwei Heiligenlegenden verfasst, wie es sich für eine Nonne gehörte. Abschriften ihrer Texte wurden an Pilger verkauft und brachten dem Kloster viel Geld ein. Ihre Tante behandelte sie wie ein kostbares Geschenk des Himmels, gönnte ihr ein komfortables Gemach und erlaubte regelmäßige Besuche bei Hawisa und auch bei Guy de Osteilli, für den Marie eine wohlhabende Gemahlin im Umland gefunden hatte. Der Ritter stammte aus derselben Familie wie die Äbtissin, war ein Bastard des Gemahls ihrer Mutter. Nun lebte er mit einer Frau, die sich nicht nach seinen Umarmungen sehnte, und dem Sänger Owein in seiner eigenen Burg. Alles hatte sich vorteilhaft entwickelt.
    »Das solltest du nicht vergessen«, fuhr Hawisa fort. »Zudem
ist es ein offenes Geheimnis, dass du als nächste Äbtissin betrachtet wirst.«
    Marie schüttelte den Kopf und lächelte.
    »Meine Tante erfreut sich bester Gesundheit. Ich hoffe, das wird noch lange so bleiben.«
    Sie verstand nicht, warum Hawisa ein derart todernstes Gesicht machte.
    »Ich soll dir etwas geben«, sagte sie dann und streckte eine Hand vor. »Denke nach, bevor du eine Entscheidung triffst. Dieses Kloster mit seiner Bibliothek und den Schülerinnen ist ein guter Ort für dich.«
    Marie zuckte ungeduldig mit den Schultern. Was sollte all dieses Gerede?
    Gebannt starrte sie auf Hawisas Finger, die sich öffneten wie Blütenblätter. Marie starrte auf eine braune Figur. Schlichte, klare Formen zeichneten die Umrisse eines Raben. Sie trat einen Schritt zurück und sank auf den Stuhl. Auf einmal hörte sie nichts außer dem Schlag ihres Herzens. Hawisas Gesicht verschwamm, der Raum drehte sich, und ihr selbst fehlte die Luft zum Atmen.
    »Jean ist hier«, stieß sie mühsam hervor. Hawisa nickte.
    »Ich

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