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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Marie«, erklärte sie mit tiefster Überzeugung. »Und auch mich. Wenn wir uns erneut begegnen, dann hat der Zorn Gottes mich zur regierenden Königin Englands gemacht.«Marie schloss kurz die Augen. Diese Worte entbehrten jeglicher Begründung, und es war wider alle Vernunft, ihnen Glauben zu schenken. Doch tief in ihrem Inneren zweifelte sie nicht an Aliénor und empfand einen Funken von Hoffnung, den Rest ihres Lebens nicht lebendig begraben sein zu müssen.

    Lange hatte Marie nur Wald und Felder durch das Fenster des Wagens gesehen, doch plötzlich änderte sich das Bild. Eine unsichtbare Hand hatte Holzhütten zusammenwürfelt, die einen Marktplatz mit schreienden Händlern, feilschend gestikulierenden Frauen und streunenden Hunden auf der Suche nach Abfällen umschlossen. Edwardstowe wirkte viel größer als Huguet und fast so lebendig wie Poitiers. Obwohl Marie sich vorgenommen hatte, ihr neues Leben niemals wirklich anzunehmen, sondern sich wie eine wandelnde Tote durch das Kloster zu bewegen, lauschte sie aufmerksam, als der Wagen durch den Ort rollte. Der raue Klang des Englischen hatte ihr stets gefallen. Er war schlicht und doch makellos wie die Figur der Rabengöttin, die Jean bei sich behalten hatte.
    Ein großer Steinbau kündete davon, dass sie am Ziel der Reise angekommen war. Das Kloster mit dem Grabmal des heiligen Edward zog viele Pilger an, da dort immer wieder wundersame Genesungen geschahen. Es hatte den kleinen Ort wohlhabend gemacht und war selbst zur größten benediktinischen Abtei Englands geworden. Mit seinen verzierten Spitzbögen und Türmen winkte es Marie zu sich. Sie schloss widerwillig die Augen.
    »Ich freue mich, dich wiederzusehen«, hörte sie eine Stimme, die ihr vertraut vorkam. Sie sah, dass die Tür des Wagens geöffnet worden war. Vor ihr stand eine Nonne. Der dicht gebundene Wimpel umhüllte ein breites, freundliches Gesicht, das Marie einen Freudenschrei entlockte.
    »Torqueri!«
    Sie sprang aus dem Wagen und stürzte in die Arme ihrer alten Freundin. Der Panzer aus Gleichgültigkeit, den sie sich angelegt hatte, zerbrach. Marie wurde von einem neuen Weinkrampf erfasst, ohne zu wissen, ob es aus Kummer oder Erleichterung geschah. Wenigstens war sie nicht völlig allein unter Fremden.

    »Ich weiß, dass du nicht ganz freiwillig gekommen bist«, sagte Torqueri und klopfte ihr tröstend auf den Rücken. »Aber wir leben hier nicht schlecht. Deine Tante, die Äbtissin, hat deine Lais gelesen und ist schon sehr ungeduldig, dich kennenzulernen.«
    Marie fragte sich, warum eine Nonne wohl Liebesgeschichten las. Dann erblickte sie zahllose andere Frauengesichter, jugendlich frische und faltige, schmale und wohlgerundete, die von der Liebe zu guten Speisen zeugten. Es war fast wie in Poitiers, doch trug hier niemand farbenprächtige, mit Borten verzierte Bliauts. Das eintönige Schwarz der Nonnentracht rief Marie in Erinnerung, dass sie im Begriff war, ein Verlies zu betreten.
    »Die Dichterin. Da kommt sie. Ich habe sie mir anders vorgestellt«, hörte sie eine Mädchenstimme.
    »Nur weil sie über schöne Damen schreibt, muss sie nicht selbst schön sein«, entgegnete eine andere. »Ich finde, sie sieht klug aus. Nur fürchterlich blass und unglücklich.«
    Marie richtete sich auf. Sie wollte diesen Ort nicht als Häufchen Elend betreten.
    Die Gruppe aufgeregt schnatternder Nonnen teilte sich, um einer großen, eindrucksvollen Frau den Weg frei zu machen. Marie sah Henris graue, wache Augen, doch strahlten sie mehr Gelassenheit aus. Die breiten Wangen und das spitze Kinn schienen ihr eigenes Spiegelbild darzustellen. Feine Falten zogen sich durch die helle Haut, wurden von keiner schützenden Schicht aus weißer Schminke verborgen, doch störten sie nicht wirklich, denn diese Frau strahlte eine Würde aus, die ihr Alter unwichtig machte.
    »Ich heiße dich in unserem Kreis willkommen, Marie d’Anjou. Wir tragen beide denselben Namen, wie du vielleicht weißt.«
    Als Marie endgültig begriff, wer vor ihr stand, wollte sie
ehrfurchtsvoll in die Knie sinken, doch wurde sie an den Schultern festgehalten.
    »Das ist nicht nötig. Auch ich bin nur ein Bastard«, sagte die Äbtissin mit einem schelmischen Blitzen in ihren Augen. Marie musterte das schwarze Gewand. Es war aus feinem Tuch gefertigt und recht eng um die schmale Taille gebunden. Ein mit Rubinen besetztes, in Gold gefasstes Kreuz hing an ihm hinab. Diese Nonne war nicht frei von Eitelkeit, auch wenn sie vielleicht nur

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