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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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König hinzu, und Marie begriff, dass sie länger als notwendig vor dem Königspaar gestanden hatte. Langsam entfernte sie sich.
    »Seltsam, sie hat keine roten Haare«, hörte sie die Stimme der Königin in ihrem Rücken. »Jedes Mal, wenn ich in Anjou ein rothaariges Kind erblickte, dachte ich, da liefe eine weitere Hinterlassenschaft des edlen Fürstengeschlechts der Plantagenets herum, leider manchmal in Lumpen. Doch nun werde ich auch bei krausen braunen Locken an Euren Vater und Bruder erinnert werden, Henri. Oder gar an Euch selbst?«
    Der spitze Tonfall versetzte Marie einen Stich. Die schöne Dame aus ihren Träumen hätte niemals derart abfällig über uneheliche Kinder gesprochen.
    Sie schaffte es, ruhig und gefasst zurück an ihren Tisch zurückzukehren und nahm einen großen Schluck Wein. Ihre Hände zitterten beinahe ebenso heftig wie nach dem Überfall im Wald, und sie spürte, wie die Chemise schweißnass an ihrem Körper klebte.
    »Du hast der Königin gar nicht erzählt, dass du ihr schon einmal begegnet bist«, flötete Emma ihr ins Ohr. »Hast du das in deiner Aufregung vergessen?«
    Marie fuhr herum. »Halt doch einfach deinen Mund!«, zischte sie. Emmas Miene schien zu Eis zu werden, und ihr wütender Blick stach Marie wie ein Messer.
    »Mir scheint, der König ist sehr guter Laune, seit sein Kanzler Thomas Becket eingewilligt hat, das Amt des Erzbischofs von Canterbury anzunehmen«, begann Torqueri sogleich. »Er ließ sich in England zum Priester weihen.«
    Stimmengewirr erhob sich, und Emma streckte den Kopf vor, um zu lauschen. Der Priester an Torqueris rechter Seite
setzte zu einer längeren Rede an, doch Marie vermochte aus den Wortfetzen, die an ihr Ohr drangen, keinen rechten Sinn zu formen.
    »Er ist bisher eitel und weltlich gewesen«, verstand sie nur. »Doch Gott der Herr wird vielleicht einen Weg in sein Herz finden.«
    Torqueri nahm ein weiteres Stück von dem Lammbraten, der so verführerisch duftete, doch nach der Aufregung des heutigen Abends war Maries Magen wie zugeschnürt. Wieder nippte sie an ihrem Weinbecher.
    »Es mag die Stimme Gottes sein oder sein Eigensinn, auf den er hören wird«, hörte sie Torqueri murmeln, mehr zu sich selbst als zu ihrem Gesprächspartner. »Etwas an diesem Mann ist mir schon immer verdächtig erschienen, als warte er nur auf eine Gelegenheit, Schwierigkeiten zu machen.«
    Marie hatte keine Ahnung, wer dieser Thomas Becket war, und fühlte sich zu erschöpft, um nachzufragen. Sie sehnte sich nach Stille und Einsamkeit. Als die Anwesenden endlich begannen, sich in die Schlafräume zurückzuziehen, folgte sie erleichtert diesem Beispiel. Sie stellte fest, dass ihr eine Nachthaube fehlte, denn darunter verbargen die Damen ihre Haarpracht, bevor sie sich mithilfe von Bediensteten entkleideten und schlafen legten. Torqueri schob ihr rasch ein etwas verwaschenes Exemplar zu, sodass Marie nicht aus der Reihe fiel. Zwar musste sie neben vielen anderen Frauen in einem Raum liegen, doch als die Lichter gelöscht waren und das letzte Murmeln erstarb, war sie geborgen im Dunkel der Nacht.
     
    Der nächste Tag brachte viele verwirrende neue Eindrücke. Marie stand zusammen mit ihren Gefährtinnen auf und stellte fest, dass sogleich Wasser und Seife von Dienstboten hereingetragen wurde. Fast alle Dinge, um die sie sich
stets hatte selbst kümmern müssen, erledigten jene schäbig gekleideten Wesen, die wie Küchenschaben herumhuschten, meist bemüht, nicht aufzufallen. Die Damen übersahen sie auch geflissentlich, außer es gab einen Grund zur Klage. Marie wusch sich den Schweiß des vergangenen Abends ab, schlüpfte wieder in Chemise und Bliaut, und ergriff den Kamm, den Torqueri ihr hinhielt.
    »Wenn du dein Haar offen trägst, muss es hübsch aussehen«, erklärte die ältere Dame. Marie gehorchte und nahm auch die Gelegenheit wahr, zum ersten Mal in ihrem Leben in einen Spiegel zu blicken. Guillaume hatte ihr von diesen glatten Flächen erzählt, die das menschliche Antlitz in aller Deutlichkeit wiedergaben. Was sie sah, erstaunte sie nicht. Ihr völlig gewöhnliches, unscheinbares Gesicht war breitwangig wie das des Königs, nur lief es spitzer am Kinn zusammen. Im Geiste verglich sie sich mit einer Amsel, oder schlimmer noch einem Straßenhund. Allein ihre Locken fielen nach dem emsigen Kämmen in weichen Wellen über ihre Schultern, was reizvoll anzusehen war, doch konnten sie es nicht mit der flammenden Haarpracht ihrer Tante aufnehmen. Torqueri

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