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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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packte pflichtbewusst mit an, obwohl ihre Arme sich nach der verrichteten Arbeit bereits schwer und steif anfühlten. Ein von einem Zaun gesäumter Weg führte durch den nächtlichen Park. Aus der Finsternis drangen fremdartige, unheimliche Laute, doch Marie war zu beschäftigt, um sich
Sorgen zu machen. An der Außenmauer wurde ihnen ein weiteres Tor geöffnet, und sie verließen endgültig das Burggelände. Marie musterte die Umrisse des Waldes und sog gierig seinen Duft ein. Einst war dieser Geruch der Freiheit für sie selbstverständlich gewesen, jetzt wirkte er geradezu berauschend und voll von Versprechen. Mit einem Mal war sie sich völlig sicher, auf die eine oder andere Art ihr Schicksal meistern zu können, auch wenn sie noch keinen weiteren Plan gefasst hatte, als vom Hofe zu fliehen.
    Hawisa rief die Wächter an der Außenmauer und bat sie um Hilfe, den Karren zu kippen, damit das Stroh herausfiel. Sie gehorchten ohne Murren. Manchmal verstand Hawisa den Umstand, dass sie eine sehr reizvolle Frau war, tatsächlich zu ihrem Vorteil einzusetzen.
    »Bringt den Karren einfach in den Park zurück«, forderte sie die Männern schließlich auf. »Dort werden andere Diener ihn morgen holen. Ich habe ein paar Tage freibekommen, und mein Bruder wartet bereits am Waldrand auf mich. Meine Freundin wird mich begleiten.«
    »Was ist, wenn diese Männer sich an mich erinnern können? Man wird morgen schon nach mir suchen«, fragte Marie verunsichert.
    Hawisa lächelte belustigt. »Sie werden eine unscheinbare Dienstmagd vergessen, glaub mir. Ich kenne die Männer, schließlich bin ich mit vieren aufgewachsen. Niemand hier käme auf die Idee, dass die Nichte des Königs freiwillig Stroh schleppen und einen Karren schieben würde. Und jetzt komm!«
    Hawisa führte Marie zu den Bäumen, wo ein weiterer Karren auftauchte, vor den diesmal ein Esel gespannt war.
    »Willkommen, Demoiselle Marie«, rief ein Junge. Marie konnte das Gesicht des Sprechers nicht klar erkennen, doch wusste sie, dass Hawisa nur einen Bruder hatte, der noch
nicht ausgewachsen war. Es musste Aelwig sein, den sie einst vor den Hufen von Emmas Pferd gerettet hatte.
    »Steigt auf, edle Dame! Wir fahren nach London.«
    Marie kletterte an Hawisas Seite auf den Karren, wo sie auf mittlerweile sehr vertrauten Strohballen landete, und schon holperten sie los, ganz wie während der Reisen in der höfischen Kolonne. Nur verbarg diesmal kein ledernes Dach den Himmel. Sie musterte die unendliche Weite, in der goldene Sterne funkelten, und glaubte, sich in ihr zu verlieren, als stünde die Welt auf einmal Kopf, und sie fiele in einen Abgrund von betörender Schönheit.
    »Hast du dir schon überlegt, was du machst, wenn du wieder in Frankreich bist?«, holte Hawisas Stimme sie in die Wirklichkeit zurück.
    Marie zuckte mit den Schultern. »Ich gehe zunächst in mein Heimatdorf. Das gehört nicht mehr zum Herrschaftsgebiet meines Onkels. Ich denke, dort bin ich sicher.«
    »Und dort gibt es jemanden, der dir mit Sicherheit helfen wird?«, fragte Hawisa.
    »Ich weiß nur, dass ich diesen alten, stinkenden Waliser nicht heiraten will. Das ist alles, worauf es jetzt ankommt. In Frankreich muss ich eben sehen, wie ich weiterkomme.«
    Hawisa strich ihr sanft über den Arm.
    »Für viele Frauen wäre es gar kein schlimmes Schicksal, einen Prinzen zum Gemahl zu haben, auch wenn er ihnen nicht gefällt. Aber ich kann dich verstehen. Du wirst es schon schaffen. Höre niemals auf, daran zu glauben!«
    Der Karren rollte weiter, während über ihnen der Himmel allmählich heller zu werden begann. Das Funkeln der Sterne verblasste nach und nach. Bald schon durchquerten sie ein Tor, das in das erwachende London führte. Lärm und Gedränge umfing sie wie eine Umarmung. Bunt bemalte Holzhäuser zogen an Marie vorbei, ein steinernes Gebäude
und einige Kirchentürme. Sie sah Straßenhändler, die farbenfrohe Stoffe feilboten, mit glänzenden Steinen verzierte Schmuckstücke und Säcke voller Gewürze, deren starker Geruch ihr in der Nase kitzelte. Eine unüberschaubare Menschenmenge schob sich an ihr vorbei, und sie begann zu ahnen, dass die Stadt vielleicht sicherer war als irgendein Wald, wenn es sich zu verstecken galt, denn wer würde unter all diesen Gesichtern das ihre entdecken können? Dennoch sehnte sie sich nach der weiten Landschaft, die sie hinter sich gelassen hatten. In Saint Denis war das bunte Getümmel fremd und aufregend gewesen, doch nach mehreren Monaten, da

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