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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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sie Teil der höfischen Gesellschaft gewesen war, hatte ihr Auge sich an bunter Pracht sattgesehen, und sie empfand die Enge der Stadt als bedrückend.
    »Bist du in London aufgewachsen?«, fragte sie Hawisa, die nickte.
    »Wie hält man es jeden Tag in diesem Getümmel aus? Hast du dich niemals nach frischer Luft und freiem Gelände gesehnt?«
    Hawisa sah sie erstaunt an.
    »London ist die größte Stadt der Christenheit, sagt mein Vater. Das stimmt vielleicht nicht, denn er übertreibt gern, aber die Stadt ist auf jeden Fall sehr groß«, erklärte sie mit Nachdruck. Marie widersprach nicht. Sie ahnte bereits, dass dieses dicht bebaute, mit Menschen übersäte Gelände sich hier weiter erstreckte als in Saint Denis. Nur begriff sie nicht, warum Hawisa darauf stolz zu sein schien.
    »London ist wichtig. Händler aus aller Welt kommen hierher. Du kannst Seide aus Damaskus auf den Märkten sehen und emaillierte Schmuckstücke aus Limoges. Ich zeige dir gleich einen Stand unten am Fluss. Dort gibt es die verschiedensten Gerichte fertig zubereitet zu kaufen, edle Speisen für reiche Bürger, aber auch einfache, erschwingliche Mahlzeiten,
die man mitnehmen kann«, schwärmte Hawisa weiter. Marie dachte wieder an Saint Denis. Das bereits gekocht zum Verkauf angebotene Essen hatte sie in der Tat begeistert. In den letzten Monaten waren die Mühseligkeiten des täglichen Überlebens allmählich von ihr abgefallen, doch sie wusste noch genau, dass sie wenig Freude daran empfunden hatte, sich lange über dampfende Schüsseln beugen zu müssen, damit ihr knurrender Magen schließlich mit einer wärmenden Mahlzeit gefüllt werden konnte.
    »Trotzdem ist es schrecklich eng hier«, beharrte sie, als Hawisas Bruder den Karren geduldig durch das Getümmel eines Marktplatzes zu manövrieren versuchte. Fremde Gesichter waren zum Greifen nahe, gafften sie für einen winzigen Moment an, bevor sie wieder in der Menge verschwanden. Wenn sie in diesem Augenblick tot vom Karren fiele, wäre sie für die meisten Menschen hier nur ein lästiges Ding am Boden, über das sie stolperten.
    »Hattest du als Kind denn nie das Bedürfnis, dich frei zu bewegen, ohne dabei gleich jemanden anzurempeln?«, wandte sie sich an Hawisa.
    »Wer sagt denn, dass ich es nicht konnte? Wir verließen die Stadt manchmal, wenn die Geschäfte meines Vaters es zuließen. Im Sommer spazierten wir an den großen Gärten der reichen Bürger vorbei, die sich außerhalb der Stadtmauern niedergelassen haben. Im Winter frieren die Sümpfe nördlich von London zu. Wir banden als Kinder Tierknochen unter die Sohlen unserer Schuhe und konnten auf ihnen über die spiegelglatten Flächen gleiten. Davon abgesehen gibt es in London viele Hahnenkämpfe zu sehen, prächtige Prozessionen und die wildesten Masken zur Karnevalszeit. Glaub mir, Marie, in einer Stadt lebt es sich noch aufregender als bei Hofe.«
    Während Hawisa vom Leben in der Stadt schwärmte,
blieb der Karren vor einem rot und blau bemalten Haus am Ufer des Flusses stehen.
    »Wir sind da!«, rief Aelwig und brachte seine Schwester dadurch zum Schweigen. Marie bemerkte das Leuchten in Hawisas dunklen Augen, als sie vom Karren sprang. Sie musste ihr Heim in dieser Stadt noch mehr vermissen als Marie das verschlafene Huguet bei Paris.
    Ungeduldig stieß Hawisa die Tür auf. Marie erblickte einen hölzernen Tisch, zwei Bänke und prasselndes Herdfeuer, neben dem die üblichen Kessel und Krüge standen. Der Raum schien dennoch karg, und erst nach einer Weile wurde ihr bewusst, dass die mittlerweile vertrauten Teppiche und Wandbehänge fehlten. Marie rief sich ihr Zuhause in Huguet in Erinnerung, das noch ärmlicher und zudem halb verfallen gewesen war. Dennoch war sie dort zufrieden gewesen. Hatten die Monate bei Hofe ihre Wahrnehmung derart verändert? Sie musste die Pracht, welche Aliénor und ihr Gefolge umgab, so bald wie möglich vergessen, denn sie selbst war nicht mehr Teil dieser Welt.
    Hawisa und Aelwig riefen ihr unbekannte Namen und machten Türen zu weiteren Räumen auf.
    »Wartet denn niemand auf uns?«, wandte Hawisa sich an ihren Bruder.
    Aelwig zuckte mit den Schultern. »Sie müssen arbeiten wie an jedem anderen Tag. Vater will nach unserer Mutter keine andere Frau mehr heiraten. Manchmal kommen die Nachbarstöchter und helfen ein bisschen. Wir müssen eben sehen, wie wir ohne unsere Schwester zurechtkommen.«
    Hawisa nickte missmutig und führte Marie in einen der angrenzenden Räume, wo eine Strohmatte

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