Die Dichterin von Aquitanien
überzogener Haut bedeckt. War es möglich, dass die Gemahlin des Herrn über Deheubarth nicht davor zurückschreckte, bei harter Arbeit mit anzupacken?
Marie fühlte sich unwohl in ihrer kostbaren Aufmachung. Sie passte nicht in diese Runde, wirkte übertrieben herausgeputzt und nutzlos. Immer wieder trafen sie neugierige Blicke, und es wurde geflüstert, sodass Marie die Lust überkam, den Anwesenden zu erklären, sie könnten sich ebenso gut laut über die normannische Braut unterhalten, da diese kein Walisisch verstand. Zum Glück saß Hawisa an ihrer Seite und lenkte einen Teil der allgemeinen Aufmerksamkeit
auf sich, obwohl sie weitaus schlichter gekleidet war als Marie.
»Wer ist dies zauberhafte Mädchen aus Eurer Gefolgschaft, Marie d’Anjou?«, hörte sie plötzlich den Prinzen Rhys fragen und spürte, wie Hawisa sich erschrocken verkrampfte.
»Das ist eine junge Dame aus London, die mir Gesellschaft leistet«, erwiderte Marie sogleich. »Ihre Familie gehört zum alten englischen Adel.«
Das war nicht einmal gelogen, nur hatte sie einige Details ausgelassen. Zum Glück fragte niemand nach. Prinz Rhys lächelte unter dem dichten Bart, während er seinen Bierkrug hob.
»Auf eine wahre britische Rose!«, verkündete er, und ein paar weitere Männer folgten seinem Beispiel. Ein rötliches Schimmern zog sich über Hawisas Gesicht, doch ihr Blick blieb auf den Prinzen Rhys gerichtet. Gewöhnlich hasste Hawisa männliche Aufmerksamkeit, vor allem, wenn sie von adeligen Herren kam.
Gwenllian stieß ihren Gemahl mit dem Ellbogen an.
»Gleich fallen Euch die Augen aus dem Kopf, Herr über Deheubarth«, rief sie spöttisch, aber nicht wirklich verärgert. »Eines Tages werden Euch die hübschen Mädchen zum Verhängnis, wenn Ihr nicht aufpasst. Ein Hund, der jeder verführerischen Fährte hinterherrennt, verläuft sich schnell und findet nicht mehr nach Hause.«
Gelächter ertönte. Der Prinz stimmte gutmütig mit ein und stieß mit seiner Gemahlin an.
»Wie gut, dass es hier jemanden gibt, der den Hund immer zurückpfeift«, vernahm Marie eine bissige Stimme an ihrer Seite. Widerwillig wandte sie den Kopf. Bisher hatte sie es vermieden, Cadell ap Gruffydd anzusehen, und der Abend war einigermaßen angenehm verlaufen.
Prinz Rhys nickte, wenn auch widerwillig.
»Es ist gut für einen Mann, eine tüchtige, vernünftige Frau an seiner Seite zu haben«, sagte er. »Wie uns allen bekannt ist, führte unsere Mutter selbst eine heldenhafte Schlacht gegen die Normannen an.«
Marie riss die Augen auf. Bisher war Aliénor ihr Ideal einer mächtigen Frau gewesen, doch vermochte sie sich diese edle, eitle Dame nicht auf einem Streitross vorzustellen, es sei denn, sie wollte sich dadurch zur Schau stellen.
»Aber Eure Mutter zog doch nicht selbst mit in die Schlacht?«, fragte sie neugierig.
»Sie kämpfte in der Schlacht und wurde zur Strafe vom Normannenkönig enthauptet. Seitdem wird sie in unserem Land als Heldin verehrt«, erwiderte Prinz Rhys.
»Aber all das ist vorbei, und nun haben wir Frieden mit den Normannen«, fügte seine Gemahlin sogleich hinzu und schenkte Marie ein Lächeln, das nicht ganz ehrlich wirkte. Marie war zu sehr damit beschäftigt, sich die tapfere Kriegerin vorzustellen, um dies befremdlich zu finden.
»Nun, es heißt, die Normannen erziehen ihre Frauen anders«, ließ sich ihr Verlobter erneut vernehmen. »Sie bringen ihnen bei, zu schweigen und an jenem Platz zu bleiben, den Gott in seiner Allmacht ihnen zugewiesen hat.«
Ein Schauer des Widerwillens lief über Maries Rücken, und sie unterdrückte den Wunsch, Cadell den Inhalt ihres Bierkrugs in sein Gesicht zu schütten.
»Die Normannen und alle anderen Bewohner der Gebiete, die unter der Lehensherrschaft des französischen König stehen, sind nicht alle gleich«, erwiderte sie so ruhig wie möglich. »Ich kann Euch versichern, dass viele normannische Frauen in der Lage sind, zu reden und ihre eigenen Gedanken zu haben.«
Cadells Augen funkelten sie zornig an, während schallendes Gelächter im Saal erklang.
»Nun, es scheint, ein so leichtes Spiel wirst du mit deiner Mary Tantschu nicht haben, Cadell«, rief Gwenllian und zwinkerte Marie zu.
»Was soll’s, ein richtiger Mann braucht starke Frauen nicht zu fürchten«, erklärte nun Prinz Rhys. »Sie können hervorragende Verbündete werden, wenn es ihm gelingt, ihre Achtung zu gewinnen.«
Nach diesen Worten richteten seine Augen sich für einen kurzen Moment auf den
Weitere Kostenlose Bücher