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Die Diebe von Freistaat

Die Diebe von Freistaat

Titel: Die Diebe von Freistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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sich, ob sie ihn auch wirklich als Repräsentanten dieses Reichs anerkannten.

Enas Yorl
Todesurteile
    John Brunner
    Daß es mit Freistatt abwärts ging, ließ sich unter anderem auch daran erkennen, daß Meister Melilots Skriptorium sich im vornehmsten Stadtteil befand, nämlich am Statthalterweg. Der Edelmann, dessen Großvater das Herrenhaus hier hatte erbauen lassen, hatte sein Vermögen beim Glücksspiel verloren und fristete nun sein Dasein in vornehmen Delirium in einem behelfsmäßigen vierten Stock aus Fachwerk über dem ursprünglichen Dach, während Melilot in den unteren Räumlichkeiten sein an Zahl ständig zunehmendes Personal behauste und sich neben dem Brief- nun auch dem Buchgeschäft widmete. An heißen Tagen stand der Gestank aus der Binderei - wo Leim gekocht und Leder geprägt wurde — dem in der Schlachthausgegend in nichts nach.
    Es muß gesagt sein, daß es nicht mit allem abwärts ging. Beispielsweise nicht mit Melilot. Noch vor zehn Jahren hatte er nichts weiter sein eigen genannt als die Kleider am Leib und seine Schreibutensilien. Damals hatte er unter freiem Himmel gearbeitet oder sich unter das Vordach eines großmütigen Kaufmanns gekauert. Seine Kundschaft beschränkte sich seinerzeit auf Bitt- und Klagesteller von außerhalb, die eine schriftliche Abfassung brauchten, ehe sie vor Gericht gehen konnten, und auf mißtrauische, des Lesens und Schreibens Unkundige, die Käufe von reisenden Händlern tätigten und eine schriftliche Qualitätsbestätigung haben wollten.
    An einem unvergeßlichen Tag wies ein törichter Mann ihn an, Einzelheiten für einen laufenden Klagefall niederzuschreiben, die den Richter zweifellos überzeugt hätten, wäre der Prozeßgegner unvorbereitet gewesen. Das erkannte Melilot sofort und machte eine Abschrift. Er wurde reich belohnt.
    Nun, zusätzlich zu seinem Beruf als Schreiber - was ihm hauptsächlich als Deckmantel diente —, spezialisierte er sich aufFälschungen, Erpressungen und Falschübersetzungen. Jedenfalls war er genau die Art von Arbeitgeber, die sich Jarveena vom vergessenen Hain erhofft hatte, als sie hier ankam, vor allem, da seine körperliche Verfassung—die sich aus seinem bartlosen Gesicht und seiner Leibesfülle erahnen ließ—ihn gegenüber dem Geschlecht und Aussehen seiner Leute gleichgültig machte.
    Die Dienste, die das Skriptorium zu bieten hatte, und der Name seines Besitzers und Geschäftsführers prunkten in einem halben Dutzen Sprachen und drei verschiedenen Schriftarten an der Fassade des Hauses. Hier war ein Teil der Wand herausgehauen und mit einem ehemaligen F enster und einer Tür zu einem großen Eingang gemacht worden (mit einem gewissen Risiko, was die Festigkeit der oberen Stockwerke betraf), damit die Kunden unter dem Vordach vor der Witterung geschützt warten konnten, bis ihnen ein Übersetzer, der ihre Sprache verstand, zur Verfügung gestellt werden konnte.
    Jarveena war gut im Lesen und Schreiben ihrer Muttersprache: Yenized. Deshalb hatte Melilot sich auch bereit erklärt, sie anzustellen. Nun konnte kein Konkurrenzunternehmen in Freistatt mit Dienstleistung in so vielen Sprachen aufwarten. Aber zwei Monate mochten vergehen—wie es bereits jetzt der F all war -, bis auch nur ein Kunde um eine Übersetzung vom oder ins Yenized ersuchte. Dadurch war sie im Grunde genommen nicht viel mehr als ein Aushängeschild. So hatte sie ausreichend Zeit, sich fleißig mit Rankene zu befassen, der höfischen Version der Alltagssprache. Das war sehr nützlich, denn die Kaufleute verwendeten diese Sprache gern zur Beschriftung ihrer Ware, um damit anzuzeigen, daß sie qualitativ den Wünschen des Edelvolks entsprach, selbst wenn sie des Nachts von der Aasfresserinsel herbeigeschafft worden war.
    Auch in der niedrigeren Umgangssprache, in der die ärmeren Kunden Bestätigungen oder Kaufverträge ausgestellt haben wollten, kam sie gut voran. Doch all das füllte ihre Zeit nicht aus, so daß sie sich gezwungen sah, auch gemeine Arbeiten zu verrichten.
    Es war Mittag und eine solche Arbeit war fällig.
    Schriftliche Werbung war natürlich sinnlos bei jenen, die die Hilfe eines Schreibers am dringendsten benötigten, deshalb unterhielt Melilot einen Trupp kleiner Jungen mit besonders süßer und durchdringender Stimme. Sie mußten die Straßen ringsum auf und ab gehen und durch Rufen, Beschwatzen und manchmal sogar Betteln Kunden werben. Das war eine sehr ermüdende Beschäftigung, von der die Kinder gewöhnlich heiser wurden. Aus

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