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Die Diebe von Freistaat

Die Diebe von Freistaat

Titel: Die Diebe von Freistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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wollte sie die Karten nicht noch einmal berühren müssen, so deckte sie nur hastig jeweils die oberste Karte ab.
    Flammenlanze.
    Tor.
    Schiffsfünfumgedreht.
    Erschrocken zog Illyra die Hände vom Samt zurück. Die Schiffsfünf — vor wenigen Augenblicken hatte sie diese Karte noch selbst in den Fingern gehalten. Sie konnte sich gar nicht erinnern, sie in das Päckchen zurückgesteckt zu haben. Sie wußte, und zitterte innerlich dabei, daß sie ihr eigenes Geschick in diesen Karten sehen würde. Sie öffnete den Geist, um die Antwort zu empfangen - und schloß ihn fast unmittelbar wieder.
    Fallende Steine, Flüche, Mord, eine Reise ohne Wiederkehr. Wies schon keine der Karten für sich allein auf etwas Erfreuliches hin, so waren sie in dieser Zusammensetzung besonders unheilverheißend, deuteten auf Argli st und Tod, wie es den Lebenden normalerweise verborgen bleiben sollte. Die S’danzo sagten nie den Tod voraus, wenn sie ihn lasen, und obgleich Illyra nur durch ein Elternteil S’danzo war und von ihnen nicht anerkannt, ja sogar verstoßen war, richtete sie sich doch nach ihren Gebräuchen und ihrem Aberglauben.
    »Ich rate Euch sehr, bleibt zu Hause, vor allem morgen nacht. Haltet Euch von Wänden und Mauern fern, in denen möglicherweise Steine locker sind. Sicherheit ruht in Euch selbst. Sucht keinen anderen Rat, ganz besonders nicht den von Tempelpriestern.«
    Die Besucherin verlor die Fassung. Sie seufzte, schluchzte, und Furcht schüttelte sie am ganzen Leib. Doch ehe Illyra dazu kam sie zu beruhigen, rannte die Frau kopflos davon und riß die Kordel los.
    »Kommt zurück!« schrie Illyra ihr nach.
    Die Frau drehte sich um, während sie sich noch unter dem Vordach befand. Ihr Schal glitt auf den Rücken und entblößte seidiges Goldhaar und ein feingeschnittenes, jugendliches Gesicht von großer Schönheit. War sie das Opfer eines abgewiesenen Verehrers? Oder einer eifersüchtigen Gattin?
    »Wenn Ihr Euer Schicksal schon vorausgesehen habt, hättet Ihr eine andere Frage stellen müssen, beispielsweise, ob eine Möglichkeit besteht es zu ändern«, tadelte sie sanft und führte die völlig Verstörte zurück ins rauchige Innere. »Ich — ich dachte, wenn du es anders siehst ... Aber Molin Fackelhalter wird seinen Willen durchsetzen. Selbst du hast es gelesen.«
    Molin Fackelhalter. Illyra kannte den Namen. Der Mann war der priesterliche Tempelbauer, der zum Gefolge des rankanischen Prinzen gehörte. Sie hatte einen guten Bekannten, einen Kunden in Fackelhalters Haus, von dem sie allerlei erfuhr. War dies die Frau, die Cappen Varra verehrte? War der Spielmann zu weit gegangen?
    »Warum sollte der Rankaner Euch etwas antun wollen?« fragte sie mitfühlenden Tones.
    »Die Rankaner wollen einen Tempel für ihre Götter errichten.«
    »Aber Ihr seid doch keine Göttin, ja nicht einmal Rankanerin. Da sollte Euch das doch nicht bekümmern.«
    Illyra bemühte sich, ihre Stimme unbeschwert klingen zu lassen, obgleich sie aus den Karten wußte, daß die Priester sie für ein Ritual haben wollten—nicht aus persönlichen Gründen.
    »Mein Vater ist reich - er ist stolz und mächtig unter jenen in Freistatt, die den Fall des Königreichs Ilsig nie anerkannt haben und das Reich nie anerkennen werden. Molin hat sich meinen Vater ausgesucht und unser Land für seinen Tempel gefordert. Als wir uns weigerten, zwang er Schwächere, nicht mehr mit uns Handel zu treiben. Aber mein Vater gab nicht klein bei. Er glaubt fest daran, daß die Götter von Ilsig stärker sind. Jedenfalls hat Molin Rache geschworen, statt sein Vorhaben aufzugeben.«
    »Vielleicht wird Eure Familie Freistatt verlassen müssen, um diesem ausländischen Priester zu entgehen, und Euer Zuhause seinem Tempel weichen müssen. Die Stadt mag Euch zwar jetzt alles sein, aber die Welt ist groß und Freistatt nur ein kleiner, armseliger Teil davon.«
    Illyra sprach mit weit mehr Sicherheit, als sie empfand. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie selbst den Basar nur wenige Male verlassen und die Stadt noch nie. Diese Worte gehörten zu den S’danzo-Redewendungen, die Mondblume sie gelehrt hatte.
    »Mein Vater und die anderen können die Stadt verlassen, nicht aber ich. Ich bin als Teil von Molin Fackelhalters Rache geplant. Seine Männer kamen einmal ins Haus meines Vaters. Der Rankaner bot uns meinen vollen Brautpreis, und das, obgleich er bereits vermählt ist. Vater lehnte diese >Ehre< ab. Daraufhin schlugen Molins Leute ihn bewußtlos und schleppten mich aus

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