Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann
treffen? Er seufzte einmal tief auf: Hoffentlich würde er morgen wirklich den Mut für seinen kühnen Plan aufbringen und es schaffen, allein mit Zoe dort hinzugehen. Das wäre was! Dann könnte er es allen zeigen! Was wohl Nikos in der Zwischenzeit erlebt hatte? Er war sehr gespannt.
Plötzlich zuckte Jannis zusammen: Schritte! Ganz dicht hinter sich hörte er knirschende Geräusche. Ruckartig drehte er sich um. Viel war nicht zu sehen in der Finsternis, die ihn wie ein großes schwarzes Loch umfing. Vor Angst stieß er mehrere kurze Gebete aus, sandte sogar einen Schwur zum Himmel: »Lieber Gott, wenn ich heil nach Hause komme, dann beweise ich morgen ganz allein meinen Mut, ohne Nikos, versprochen! Dann gehe ich nach Kalifatli!« Ihm stockte der Atem, als plötzlich etwas Schwarzes direkt auf ihn zukam. Er erstarrte und blieb wie angewurzelt stehen.
»Puh!«, entfuhr es ihm gleich darauf voller Erleichterung. Eine Ziege auf der Suche nach Futter trat aus dem finsteren Schlund und klapperte über den holprigen Weg.
Dann stapfte er weiter und erst jetzt wurde ihm bewusst: Die morgige Sache war damit klar entschieden und es gab kein Zurück. Er würde nach Kalifatli gehen, und zwar ohne dass Nikos etwas davon erfahren würde.
Als er eine ganze Weile später endlich glücklich zu Hause angekommen war, sehnte sich Jannis nach der Ruhe seines Bettes. Doch beim Anblick des elterlichen Hofes bekam Jannis einen gewaltigen Schrecken: Die Fenster waren hell erleuchtet und vor der Tür hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet. Mehrere Männer und Frauen standen dicht zusammen und diskutierten aufgeregt miteinander. Jannis stockte der Atem. Ging es dem Vater schlechter? War er womöglich in der Zwischenzeit gestorben? Wie hatte er nur so lange wegbleiben können! Jannis machte sich Vorwürfe. Und wo steckte Nikos?
Er stürmte ins Innere des Hauses, an den Herumstehenden vorbei, deren Gespräche augenblicklich verstummten.
»Mutter! Nikos! Elena!«, rief er verzweifelt.
Doch keiner der drei antwortete. Stattdessen stand der Vater plötzlich wankend vor ihm. Jannis atmete auf. Der Vater lebte, das war das Wichtigste! Doch was lief er hier herum? Er sollte sich doch schonen und im Bett liegen! Besorgt musterte er das angestrengte und auffallend blasse Gesicht des Vaters.
»Wie gut, dass du endlich wiederkommst! Wo warst dudenn bloß so lange? Hast du sie gefunden?«, begrüßte Jorgos seinen Sohn.
Jannis sah seinen Vater verdutzt an. »Wen? Wen soll ich gefunden haben?«, fragte er erstaunt.
»Frag doch nicht so. Elena natürlich!«
Jannis stutzte. Was war passiert? Der Vater hatte offenbar gar nicht bemerkt, dass er so lange unterwegs und nicht zu Hause gewesen war.
»Und wo hast du Mutter und deinen Bruder gelassen?«, hakte der Vater nun nach.
Jannis wusste nicht, was er antworten konnte, ohne einen Verdacht zu erregen.
Im selben Moment fiel sein Blick auf den Ring, den der Vater zwischen seinen Fingern drehte. Er stutzte, denn wenn er sich nicht täuschte, sah er genau so aus wie das Schmuckstück, das Spyros seit Kurzem an seinem kleinen Finger trug. Was hatte das zu bedeuten?
»Woher hast du den?«, fragte er zögernd.
»Den haben deine Mutter und ich neben Elenas Bett gefunden.« Dem Vater ging es sichtlich schlecht, er keuchte mehr, als dass er sprach.
Während Jannis mit seinem Vater vor dem Haus stand, ging plötzlich ein Gemurmel durch die kleine Menschenansammlung. Stavroula erschien zusammen mit Nikos. »Nichts«, rief die Mutter den anderen zu. »Kein Mensch hat sie gesehen. Das ganze Dorf haben wir nach ihr abgesucht. Man könnte meinen, sie sei vom Erdboden verschluckt.«
Sie brach in Tränen aus und der Vater versuchte sie zu beruhigen. »Mach dir doch nicht so viele Gedanken, mein Herz. Sicher wird sie bald kommen, sie ist doch kein kleines Kind mehr!« Jorgos nahm seine Frau in den Arm, doch die wehrte ab. »Keine Gedanken soll ich mir machen? Unsere Tochter irrt dort irgendwo allein durch die Dunkelheit! Seit Stunden. Dabei gehört ein Mädchen um diese Uhrzeit nach Hause.« Stavroula schluchzte laut auf, während die anderen sie voller Mitleid betrachteten. Dann ging die Familie bedrückt schweigend ins Haus, der Vater legte sich wieder auf sein Krankenlager, während sich die Mutter zu ihm setzte und angsterfüllt seine Hand ergriff.
Nikos nutzte die Gelegenheit und zischte seinen Bruder an: »Wo warst du denn so lange?« Doch Jannis gab zurück: »Wo warst du ? Als Zoe und ich
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