Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann
handeln.
Sie ließ ihre Blicke durch das Zimmer schweifen, an einem der beiden Fenster blieben sie hängen. Richtige Fenster waren das nicht, eher spaltartige Öffnungen, die ein wenig Licht durchließen, aber doch wenigstens nachdraußen führten, die einzige Möglichkeit, um zu entkommen. Hoch oben befanden sie sich, furchtbar weit oben, so kam es ihr vor. Sie räumte den kleinen wackeligen Tisch ab, das einzige Möbelstück, das sich im Raum befand, ruckelte ihn unter das Fenster, kletterte vorsichtig hinauf und versuchte Hände, Kopf und Oberkörper so weit wie möglich durch die Fensteröffnung zu stecken. Es gelang ihr, einen Blick nach draußen zu werfen. Und nun? Um sich durch das Fenster zu hieven, war sie zu klein. Es fehlten ihr wenige Zentimeter, um sich mit den Armen auf dem unteren Rand der Öffnung abzustützen und sich mit den Beinen zuerst nach draußen zu schwingen.
Mutlos ließ sie sich wieder nach unten gleiten. Sie blickte sich noch einmal im Raum um. Das Einzige, was sich hier sonst noch befand, waren drei weitere Kissen. Nein, beim besten Willen: Auch wenn sie sie alle übereinanderstapelte – sobald sie sich daraufstellte, würde alles unter ihrem Gewicht zusammensacken.
Doch da war doch noch die Kanne. Sie nahm sie in die Hand und betrachtete sie. Sie war aus dickem, gebranntem Ton und machte einen stabilen Eindruck. Würde sie ihr Gewicht aushalten, wenn Zoe sie umgedreht auf den Tisch stellte? Ihr blieb keine Wahl, sie musste es versuchen. Erneut erklomm sie den Tisch: Sie hatte genau einen Versuch. Sobald sie sich von der Kanne abdrücken würde, würde diese auf der glatten Tischplatte nach hinten rutschen, herunterfallen und auf dem Steinboden zerbrechen.
Sie kletterte auf den Tisch und vorsichtig auf die Kanne. Schließlich stand sie balancierend auf dem Boden des umgedrehten Gefäßes, die Spitzen ihrer kleinen bloßen Füße fanden nur knapp darauf Platz. Vorsichtig tastend reckte sie sich so weit wie möglich nach oben und fühlte unter den Händen die Öffnung in der Wand. Ein hoffentlich letztes Mal blickte sie sich um. Jannis schnarchte noch immer ohne Unterbrechung, sollte sie ihn wirklich alleine hier zurücklassen? Wohl war ihr zwar nicht bei dem Gedanken, aber was sollte sie anderes tun? Untätig herumsitzen und warten? Durch die Tür, die zum Hof führte, wurden plötzlich Schritte laut, die über den sandigen Boden stapften. Ganz deutlich konnte sie nun die aufgeregte Stimme der Kyria hören, ebenso wie die tiefe Männerstimme, die sie schon zuvor gehört hatte. Jetzt schien noch ein zweiter Mann dabei zu sein!
»Bist du sicher, dass sie schlafen?«, fragte die eine Männerstimme.
»Ganz bestimmt, das verspreche ich dir, du wirst es gleich mit eigenen Augen sehen ...« Bei diesen Worten kicherte die Kyria wieder ihr dümmliches Lachen.
Jede Sekunde zählte, schon im nächsten Moment hörte Zoe den Schlüssel im Schloss. Sie holte tief Luft, sprach sich noch einmal Mut zu ... und sprang!
Wie erwartet fiel die Kanne mit einem lauten Knall unter ihr zu Boden und zerbrach. Doch Zoe hatte es geschafft! Sie hing mit aufgestützten Armen in der Fensteröffnung, zog die Beine hinterher und ließ sich auf deranderen Seite auf den Boden fallen. Keinen Moment zu früh: Sie hörte bereits die Schlüssel laut und metallen im Schloss der Tür klappern.
Sie rannte los, so schnell ihre Beine sie trugen. Sie wagte es nicht, auch nur einmal den Lauf zu verlangsamen, um sich umzusehen und um sicher sein zu können, dass ihr niemand folgte.
Sie rannte und rannte. Genau den Weg, auf dem sie hierhergekommen waren. Aber jede Ecke dieses furchtbaren Dorfes sah so aus wie die andere! Und jede noch so kleine Gasse mündete in eine fast identische. Während sie lief, schoss ihr immer wieder dasselbe Bild durch den Kopf: Jannis, schlafend zusammengesunken, im Zimmer dieser seltsamen Kyria, ihr völlig hilflos ausgeliefert. Was würde gerade in diesem Moment mit ihm geschehen? Sie mochte es sich gar nicht ausmalen. Jan–nis, Jan–nis, der Klang ihrer Schritte schien immer wieder seinen Namen zu rufen. Der Mann, den sie nicht gesehen, wohl aber gehört hatte, flößte ihr Angst ein. Was hatten er und die Frau vor?
Da, endlich hatte sie die Hauptstraße erreicht. Sie atmete auf. Bald würde sie Hissarlik erreichen. Sie musste Nikos suchen und mit ihm zusammen hierher zurückkehren. Hoffentlich schafften sie es rechtzeitig, bevor irgendetwas mit Jannis passierte ...
Treffen mit einer
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