Die Diener Der Eosi
paralysiert war und sich der Behandlung nicht entziehen konnte.«
»Hmm. Dadurch könnten tatsächlich schwere Neurosen ausgelöst werden.« Er räusperte sich. »Sie haben mir von dem Trauma erzählt, unter dem Dr. K. litt. Nun würde ich gerne etwas über ihre Vorgeschichte erfahren, über psychische Abwehrmaßnahmen und ihren prämorbiden Anpassungsgrad.«
Dorothy atmete tief ein. Jetzt kam sie zum schwierigen Teil. »Ein prämorbider Anpassungsgrad ist kein besonders nützliches Konzept bei der Behandlung posttraumatischer Streßstörungen von hochleistungsfähigen Individuen. Viel eher geht es darum, ihnen dabei zu helfen, die Kontrolle über ihre Symptome in einem bewußten Zustand zu erlangen.«
»Nun«, meinte Dr. Hessian wichtigtuerisch, »wenn Sie nicht eine prämorbide Behandlung in Erwägung ziehen, bieten sie keine umfassende Therapie an.«
»In Ihrer Theorie trifft das sicher zu, in meiner hingegen nicht«, erwiderte sie. »Stellen Sie sich mal ein nagelneues Automobil vor, das bei einem Frontalzusammenstoß völlig zerstört wird. Man wird wohl kaum danach fragen, wie gut es vor dem Unfall funktioniert hat, oder erwarten, daß es so gut wie neu aus der Werkstatt zurückkommt. Tatsächlich werden solche Wracks entsorgt. Bei Menschen hingegen gestattet der Geist ihnen oft, einen erstaunlichen Grad an Funktionalität wiederzuerlangen, so daß sie das Trauma überwinden. Ihnen beizubringen, wie sie das schaffen, indem man Techniken der kognitiven Psychologie, der Verhaltenstherapie und eine mehrstufige Behandlung anwendet, hat sich als wirksam erwiesen.«
Eine weitere kurze Pause trat ein. »Nun, dann verraten Sie mir doch mal«, sagte Dr. Hessian auch diesmal mit einem deutlich herablassenden Tonfall in der Stimme, »welche posttraumatischen Streßsymptome waren denn am schwierigsten zu behandeln?«
Dorothy entschied, daß er Zeit zu gewinnen versuchte, um seine Strategie zu überdenken.
»Dr. K. hatte eine vorübergehende post-traumatische Amnesie und Flashbacks von dem blauen Licht. Sie konnte nicht schlafen oder wach sein, ohne daß ständig blaue Lichterscheinungen ihre Stirnlappen attackierten. Überall wurde sie davon verfolgt. Sowohl in ihren Träumen als auch im Wachzustand wurde sie von diesen häßlichen Flashbacks gequält, die ihre Gesundung in jeder Hinsicht beeinträchtigten.«
Dr. Hessian straffte sich, ein blasiertes Funkeln in den Augen, und Dorothy fragte sich, welche Mängel er nun in ihrer Methode finden würde. Wenigstens schaute er ihr jetzt in die Augen, während er wieder sein typisches herablassendes Lächeln aufsetzte.
»Deshalb ist es so wichtig, den prämorbiden Anpassungsgrad zu kennen«, sagte er. »Ich würde meinen, daß es im Vorleben der Frau irgendeinen ungelösten Konflikt gab, der sie für den Flashback besonders anfällig machte. Wissen Sie, ob es irgendwelche verborgenen Schuldgefühle gegen ein Elternteil oder irgendein ungelöstes Problem im Bereich der Sexualität gab, das sich auf diese Art und Weise bemerkbar machte?«
Mittlerweile versank die Sonne hinter den Bergen. Sie konnten hören, wie die anderen nach Hause eilten, aber niemand benutzte diesen Weg. Sie wollte den Mann nicht antreiben, aber sie müßten sich auch bald auf den Weg machen, um eine Begegnung mit den Aasfressern zu vermeiden. Sie mußte aber auch diesen Machtkampf zwischen den beiden unterschiedlichen psychologischen Behandlungsmethoden beenden. Die Grundlage ihrer augenblicklichen Diskussion, so sagte sie sich, war Macht und nicht nur die Verteidigung einer bestimmten Theorie. Dieser Streit war das reinste Tauziehen. Er zog in die eine Richtung, sie in die andere. Sie beschloß, nicht mehr zu spielen und nur zu beobachten, was geschehen würde.
»Nun«, sagte Dorothy laut, »ich würde diese Diskussion sehr gerne fortsetzen, aber wir müssen noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder in unseren Häusern sein. Ich hätte Ihnen noch gerne geschildert, daß wir Dr. K.’s Flashbacks unter Kontrolle brachten, indem wir uns einer Fading-Prozedur, kombiniert mit intensiver Muskelentspannung, bedienten. Wir versorgten sie außerdem mit Geistbildern, was sich als außerordentlich wirkungsvoll erwies.«
Dr. Hessian schaute sie unbeeindruckt an. Er schien von praktischen Erwägungen nicht besonders angetan zu sein, auch wenn sie erfolgreich waren.
»Wir sollten am besten Feierabend machen«, sagte sie und stand auf. Seine tief verwurzelte Höflichkeit ließ ihn ebenfalls aufspringen. »Ich
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