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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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Verfolgers.
    »Das ist es«, flüsterte
Judith aufgeregt. »Das war das Bild, das ich im Traum vor mir gesehen habe.«
    Ihr Ton jagte den
Freundinnen Schauer über den Rücken. Der Wind heulte durch die Wipfel der
Bäume.
    »Wie ist dein Traum
eigentlich ausgegangen?«, fragte Estelle interessiert.
    »Ich bin aufgewacht«,
gab Judith zu.
    Caroline war nicht nach
weiteren Kassandrarufen zumute. »Kann ich Ihnen helfen?«, rief sie dem
Unbekannten zu. Sie klang betont munter. Dabei waren sie es, die Hilfe hätten
brauchen können.
    Der Mann drehte sich
um. Fast hätte sie hysterisch aufgelacht. Ein Werwolf war es nicht. Haarig war
der erste Eindruck dennoch. Dicht und halb ergraut standen sie in alle
Richtungen ab: auf dem Kopf, im Gesicht, im offenen Hemdkragen. Vor ihr stand
eine Art nachlässiger Dandy, mit Sakko und strahlend weißem Hemd. Seine dunklen
Augen versteckte er hinter einer dicken Hornbrille. In der Gesamtwirkung lag er
irgendwo zwischen gekonnt nachlässig und gnadenlos verkracht. Sein Gesicht war
von Linien zerfurcht. Er blitzte die eingematschte Frauengruppe ironisch an.
    »Ich dachte, der Pudel
hätte den Wagen gesteuert. Das hätte manches erklärt.«
    »Wir haben uns
verfahren«, erklärte Judith und warf sich in Positur. Dass sie sich inzwischen
mit dem Leben ohne Mann arrangiert hatte, blieb in manchen Momenten eher
Theorie.
    »Ich dachte, es wäre
eine gute Abkürzung«, erklärte Caroline und streckte dem Fremden ihre dreckige
Hand entgegen. »Caroline Seitz.«
    Ihr vermeintlicher
Verfolger nuschelte: »Thomas Steiner.« Klang er absichtlich so vage?
Blitzschnell ratterte Caroline im Kopf ihre Fälle herunter. Als
Strafverteidigerin hatte sie ein geübtes Gedächtnis für Namen. Nichts war
peinlicher, als wenn man im Gerichtssaal Zeugen und Täter durcheinanderbrachte.
Der Name Steiner weckte keinerlei Assoziationen bei ihr. Schon gar nicht in
Bezug auf den Schwimmbadfall. Das Gesicht noch viel weniger. Caroline wollte
ihrem unguten Gefühl keinen weiteren Raum geben. Sie wollte weg. Jetzt. Sofort.
Sie setzte das Holz vor dem Vorderreifen ab.
    »Das funktioniert
nicht«, sagte Steiner lässig. Er war kein Mann der großen Worte.
    Hatte sie eine Wahl?
Caroline ließ sich von kleinlichen Einwänden nicht von ihrem Plan abbringen.
Sie rutschte wieder hinters Steuer. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie den
Mann. Gemeinsam mit den Freundinnen wartete er mit verschränkten Armen darauf,
was passierte. Caroline entging keine seiner Bewegungen, kein Blick. Sie musste
zugeben, dass er friedliebend und freundlich wirkte. Aber was hieß das schon?
Caroline hatte gelernt, sich niemals auf den ersten Blick zu verlassen. Ihr
ganzes Berufsleben war von Menschen mit zwei Gesichtern geprägt. Die
Gefängnisse saßen voll mit Gewalttätern, deren Angehörige überzeugt waren, dass
ihre Lieben keiner Fliege etwas zuleide tun könnten. Trotz Beweisen,
Verurteilung und besseren Wissens. Caroline schob den Gedanken an die
Drohbriefe beiseite.
    Energisch drückte sie
das Gaspedal runter. Der Reifen setzte auf dem Holz auf, die morsche
Holzkonstruktion knackte. Beim zweiten Anlauf klappte es. Mit Schwung
manövrierte Caroline das Auto aus der Schlammkuhle. Und das nur, um sich
fünfzig Zentimeter weiter erneut festzufahren. Es roch nach Benzin. Irgendetwas
am Unterboden war kaputt gegangen. Sie fühlte sich unendlich dumm.
    »Ich nehme Sie an den
Haken«, beschied der Mann. Widerspruch war, seinem Tonfall nach zu urteilen,
nicht vorgesehen. Als Caroline ihn zu seinem Wagen begleitete, hoffte sie, dass
er keinen Fleischerhaken meinte. Sie verbot sich, darüber nachzudenken, warum
jemand im Frühjahr mit Schneeketten und Spaten im Kofferraum durch
Mecklenburg-Vorpommern reiste. Neben einem abgegriffenen braunen Lederkoffer
noch etwas Verstörenderes: eine flache silberne Metallbox, die sie an einen
Waffenkoffer erinnerte. Caroline fühlte sich dafür verantwortlich, dass die
Dienstagsfrauen auf der grünen Wiese gestrandet waren. Wenn sie dort vor
Anbruch der Nacht wegwollten, hatten sie keine andere Wahl, als sich diesem
Steiner anzuvertrauen.

10
    Bibbernd saß Caroline am
Steuer. Dreizehn Kilometer bis Birkow. Als das Auto mit den vier Freundinnen
endlich wieder festen Grund unter den Rädern hatte, waren sie bis auf die
Knochen durchgefroren. Dreizehn Kilometer an Steiners langer Leine. Im wahrsten
Sinne des Wortes. Caroline sehnte sich danach, endlich anzukommen. Eine
dampfende Tasse Tee, etwas zu essen, ein

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