Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
Vom Netzwerk:
warmes Plätzchen: Die Sandkrugschule,
von der Kiki so geschwärmt hatte, schien ihr schon jetzt wie das Himmelreich
auf Erden. Sie jubelte laut auf, als kurz hinter dem Ortsschild Birkow das Wort
Tankstelle in der Dunkelheit aufleuchtete. Ein mannshoher gelber Plastikvogel
mit Latzhose, Knollennase und Schiebermütze in Knallrot wies ihnen den Weg. Im
Leerlauf und mit blinkender Warnleuchte rollte Carolines Wagen an Steiners
Abschleppseil auf das Werkstattgelände. »Stets dienstbereit zu Ihrem Wohl ist
immer der Minol-Pirol!«, stand auf einem Plakat. Das schien auch für einen
späten Freitagabend zu gelten. Aus dem weiß gekachelten Tankstellenhäuschen,
das sich außer einer blutroten Reklameleiste für Sonax-Autopflege schmucklos
funktionell präsentierte, leuchtete anheimelndes Licht. Merkwürdig war nur,
dass dort, wo man Tanksäulen vermuten sollte, bunt bemalte Bierbänke zum Verweilen
einluden. Dicke Wolldecken lagen bereit, Kerzen flackerten in hohen,
windgeschützten Gläsern, beschriebene Steine dienten als Menükarte. Selbst wenn
der Sturm salzige Ostseeluft über das Land fegte, konnte man hier der steifen
Brise trotzen und seinen Kaffee trinken. Mit fröhlichem Gebimmel öffnete sich
die Tür zur umfunktionierten Tankstelle. Im Portal stand Kiki, sprachlos über
den Zustand ihrer Freundinnen, die abgekämpft, verdreckt und verfroren aus dem
Auto stiegen.
    »Wir machen jetzt auf
Cross Country«, erklärte Estelle. »Nur ohne Pferd. Und du?«.
    Caroline sah sich
ratlos um. Was machte ihre Freundin bloß hier?
    Kiki schossen Tränen in
die Augen. Die Freude, die Freundinnen nach so vielen Monaten wiederzusehen,
überwältigte sie.
    »Warum habt ihr nicht
Bescheid gegeben, dass ihr eine Panne habt?«, fragte sie.
    »Wir wollten dir keinen
Stress machen«, meinte Eva.
    »Hat toll geklappt«,
japste Kiki. »Statt Stress habe ich einen Herzinfarkt. Ich habe mir solche
Sorgen gemacht.«
    Caroline war gedanklich
noch immer mit der Tankstelle beschäftigt: »Gibt es hier einen netten Pächter?
Oder was treibt dich hierher?«, erkundigte sie sich neugierig.
    »Das ist unser
Dorfladen«, erklärte Kiki und winkte die Freundinnen hinein. »Zweimal die Woche
habe ich Dienst. Der nächste Discounter ist acht Kilometer entfernt.«
    Neugierig betraten die
Freundinnen den kleinen Verkaufsraum, der zugleich als Café und Treffpunkt
diente.
    Caroline drehte sich
vorsichtig zu ihrem mysteriösen Retter um. Thomas Steiner rollte
selbstvergessen das Abschleppseil über Hand und Ellenbogen auf. An einer spontanen
Führung durch einen Dorfladen war er augenscheinlich nicht interessiert.
Caroline umso mehr.
    »Wir sind eine
Genossenschaft«, sagte Kiki. »Der Betrieb gehört mir sozusagen. Zusammen mit 26
anderen. Ich kann hier alles, was ich bei ›Coffee to go‹ gelernt habe,
anwenden.«
    Die Freundinnen
staunten über den gut sortierten Laden. Neben Grundnahrungsmitteln wie Nudeln,
Reis, Mehl, Zucker und Salz konnte man sich hier mit Brot, Milch und Eiern
eindecken, frisches Obst und Gemüse erstehen, selbst gekochte Marmelade, Honig,
Öl, Trockenfrüchte oder biologischen Wein. Selbst geistige Nahrung war
verfügbar. In der Ecke stand ein Schrank, in den man gelesene Bücher einstellen
und gratis gegen die ausgelesenen Schmöker anderer Dorfbewohner tauschen
konnte. Alleine die vergilbte Minol-Landkarte »Tankstellennetz der DDR «, die die Wand zierte, und eine Vitrine mit Maskottchen
der ehemaligen VEB Minol erinnerten an die ursprüngliche
Bestimmung des Hauses. Am Eingang warteten in nostalgischen Bonbongläsern
Süßigkeiten für Centbeträge auf kleine Kunden. Nur die hypermoderne
Kaffeemaschine fiel aus dem Ökorahmen. Und das Kaffeegeschirr, das Kiki einst
für die Kette entworfen hatte.
    »Wir sind die
östlichste Filiale von ›Coffee to go‹«, begeisterte sich Kiki. »Und die
einzige, die neben Kaffee noch was anderes verkaufen darf.«
    Eva nahm eine Wurst
hoch. »Rehsalami«, las sie vom Etikett ab.
    »Vom Förster, die macht
er selbst«, erläuterte Kiki. »Die Wurstwaren kommen von den Höfen in der
Umgebung, das Gemüse auch, und die Kuchen backt Ingrid. Ihr müsst Ingrid
kennenlernen. Was ist eigentlich passiert? Ich bin so froh, dass ihr endlich da
seid.«
    Es ging alles
durcheinander. Kikis Stimme überschlug sich fast. Sie wollte so viel und alles
gleichzeitig. Erzählen, fragen, zuhören, schauen, umarmen, weinen.
    »Der Simon aus dem
Nachbardorf kann sich den Wagen anschauen«, sagte sie.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher