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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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hatte, schleuderte
über den Acker, als wäre sie ein Ufo. Die Kuhle, in der die Reifen versackt
waren, war ein Stück tiefer geworden.
    »Wenn wir im Schnee
stecken geblieben wären, könnten wir wenigstens auf Tauwetter hoffen«, meinte
Estelle.
    Eva wischte sich den
Modder aus dem Gesicht. »Ich konnte Schlammpackungen noch nie leiden«, klagte
sie.
    »Wir brauchen einen
festeren Untergrund«, überlegte Caroline. So schnell würde sie nicht aufgeben.
Beherzt verschwand sie in dem angrenzenden Waldstück, auf der Suche nach einem
passenden Stück Holz.
    Die Freundinnen folgten
nur zögernd. Sie blieben am Waldeingang bei einer Gedenksäule stehen. 400 Meter von hier wurde 1846 ein Wolf erlegt, verkündete
die Frakturschrift, die in den hölzernen Pfahl geschnitzt war. Prosaisch wurde
die Urteilsbegründung mitgeliefert: Er hatte viel Schaden
unter dem Wild angerichtet . Vollstrecker des Todesurteils, so vermeldete
die Inschrift, waren der Birkower Zimmermann Hermann Schwarzer, Bäckergeselle
Ludwig Klein und Brauer Beppo Bieler. Die Erinnerung an die drei Hobbyjäger
wurde liebevoll gepflegt. Die Schrift leuchtete in frischem Gold.
    »Ich hab’s gewusst«,
brach es aus Judith hervor. »Ich wusste, dass wir nicht ankommen. Das schlechte
Blatt, der merkwürdige Traum…« Sie kam ins Stammeln und begann aufgeregt von
vorne. »Das war das Bild, das ich im Traum gesehen habe. Unser Wagen in der
Wiese. Wir warten auf Hilfe. Dann hält ein Jeep, oben an der Straße. Die Tür
geht auf…« Sie musste eine Pause einlegen, so atemlos war sie.
    »Und dann?«, fragte Eva
neugierig.
    »Steigt ein Werwolf aus
dem Auto.«
    Evas Interesse erlosch
augenblicklich. Sie war eindeutig aus dem Alter raus, in dem man ein romantisches
Verhältnis zu Werwölfen entwickeln konnte.
    Judith verteidigte die
Richtigkeit ihrer Visionen: »Wolf, Werwolf, wo ist der Unterschied? Ich hatte
alle Informationen, ich habe sie einfach nicht richtig zusammengesetzt.«
    »Und Tote haben wir
auch zu beklagen«, sagte Estelle und hielt anklagend ihre ruinierten Pumps
hoch.
    Eva beschäftigte etwas
anderes. »Irrt sich das Schicksal manchmal?«, fragte sie. »Wer weiß, was
passiert wäre, wenn wir am Abhang mehr Tempo gehabt hätten. Wir hätten uns
überschlagen können.«
    »An der genauen
Interpretation feile ich noch«, wich Judith aus.
    »Angenommen in den
Karten steht, du kommst bei einem Flugzeugunglück ums Leben«, beharrte Eva auf
ihrer Frage, »was passiert, wenn du den Zug nimmst?«
    »Worüber machst du dir
Sorgen?«, antwortete Estelle an Judiths Stelle. »Wenn das Schicksal dich um die
Ecke bringen wollte, ist es ein furchtbarer Pfuscher. Es hat zweimal die Chance
gehabt. Zweimal daneben.«
    Judith sah das ganz
anders: »Ihr seht das viel zu einseitig. Man darf nicht nur die negativen Dinge
Schicksal nennen. Vier gesunde Kinder…«
    »…drei gesunde Kinder,
ein Hacker«, korrigierte Estelle.
    Aus dem Dickicht des
Waldes ertönte Carolines Stimme: »Vielleicht könnten die Damen von der
esoterischen Gesprächsgruppe mit anpacken?«
    Sie hatte eine
Futterkrippe entdeckt, die in sich zusammengebrochen war.
    »Möglicherweise können
wir damit was anfangen«, schlug sie vor.
    »Ob das funktioniert?«,
meinte Judith mit Blick auf die morschen Balken.
    Estelle kratzte sich am
Hinterkopf. »Mich darfst du nicht fragen«, sagte sie. »Ich habe zwei linke
Hände. Alles Daumen.«
    Sie wuchteten, sie
hievten, sie zogen und zerrten. Die Seitenwände der Krippe waren zerfressen,
aber ein Teil des Dachs wirkte stabil genug, um als Rampe dienen zu können.
Estelle, die hinten trug, stapfte verbittert auf Strümpfen über den nassen
Waldboden und fragte sich laut, warum sie sich den Ausflug der Dienstagsfrauen
jedes Jahr aufs Neue antat. Sie hätte es besser wissen können: »Was auch immer
wir planen, am Ende bekomme ich jedes Mal eine Überdosis Naturerlebnis«,
konstatierte sie nüchtern.
    Am Waldausgang stockte
Caroline. Entsetzt blickte sie auf die Lichtung. Da stand jemand bei ihrem
Auto. Ein Mann. Aufmerksam äugte der Fremde durch alle Fenster, öffnete die Tür
und sprach beruhigend auf den aufgelösten Pudel ein, der hinter der Scheibe
tobte.
    »Vielleicht sieht Oskar
auch einen Werwolf«, unkte Estelle.
    Der arme Pudel war über
den unerwarteten Besucher genauso entsetzt wie Caroline. Oben an der Straße
parkte ein Jeep. Die Warnblinkanlage leuchtete gespenstisch durch das Dunkel.
Caroline erkannte das Auto sofort. Es war der Wagen ihres

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