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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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der
Radiomoderatorin, die zum Tageshoroskop übergegangen war, das auf Plattdeutsch
verlesen wurde. Sie verstand nur die Hälfte: »Nichts überstürzen sollten die
Fische«, empfahl ihr die junge Frau. »Immer einen Fuß vor den anderen setzen.«
    Nach dem unfreiwillig
komischen astrologischen Intermezzo folgten Erziehungstipps. Ein Programm für
überarbeitete Strafverteidigerinnen mit Hang zu paranoiden Zuständen gab es
leider nicht.
    Ein tief hängender Ast
schlug gegen ihren Arm. Caroline drosselte ihr Lauftempo. Ihre unregelmäßige
Atmung bescherte ihr schmerzhafte Seitenstiche. Sie schaffte noch ein paar
Meter, dann musste sie innehalten. Gloria Gaynor jubelte ihr ein fröhliches »I
will survive« ins Ohr. Caroline stellte das Radio ab. Eigentümliche Stille
umfing sie. Motorsägen hallten in der Ferne, dann ein lauter Knall. Was war
das? Ein Schuss?
    Für einen Moment vergaß
sie ihren eigenen Körper und analysierte nüchtern ihre Chancen. Der
verwunschene Laubwald war der ideale Ort für ein Verbrechen. Hinter jedem Baum
konnte sich jemand verborgen halten. Wenn ihr hier etwas zustoßen würde: Wie
lange würde es dauern, bis man sie fand? Caroline rief sich zur Ordnung. Es war
zu lächerlich. Am See klatschte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht. Vom Ufer
hatte sie einen schönen Blick auf die im Tiefschlaf liegende Sandkrugschule.
Dahinter war das Dorf allenfalls zu erahnen. Wie merkwürdig, dass nicht in
einem einzigen Haus Licht brannte. Birkow sah aus wie eine Geisterstadt. Das
einzige Lebenszeichen stellte die dünne Rauchsäule dar, die aus dem Kamin der
Fischerhütte in den Himmel stieg. Vom See hatte man eine gute Sicht auf das Häuschen.
Sie beschloss, am lichten Seeufer zurückzulaufen. Je näher sie kam, desto mehr
Details schälten sich aus dem grauen Einerlei. Die Fischerhütte wirkte
überraschend groß, die weinrote Fassade anheimelnd und freundlich.
Fensterläden, Tür und Eckpfosten glänzten in strahlendem Weiß. Die Veranda
schwebte auf Pfählen über dem Wasser, daneben verlief der Bootssteg, hinter dem
Haus parkte ein Wagen. Carolines Herz blieb stehen. Sie erkannte das Auto auf
den ersten Blick. Es gehörte ihrem obskuren Helfer vom Vortag, Thomas Steiner.
Am Wagen prangte ein Kölner Kennzeichen. Caroline atmete schwer durch. An
Zufälle hatte sie noch nie geglaubt.

18
    Der Tag hatte angefangen.
Unerbittlich und gnadenlos. Gestern waren die Matratzen in den Zimmern
geschwommen. Heute stand Kiki das Wasser bis zum Hals. Fieberhaft sortierte sie
auf ihrem Schreibtisch den Berg von Papieren: Rechnungen, Kontoauszüge, Belege,
Zeitpläne, Budgetplanungen und Anträge. Sie verteilte ihre Buchhaltung auf
verschiedene Stapel. Als die Schreibtischfläche nicht mehr ausreichte,
erweiterte sie ihren Aktionsradius auf die Bodendielen. Dort hockte Greta, die
sich hoch konzentriert als Schredder übte und mit einer Kinderschere die Einladung
zum Birkower Bowlingturnier in Einzelteile zerlegte.
    »Guten Morgen«, ertönte
eine fröhliche Stimme. Judith stand im Eingang. Sie trug schwer an einem
Weidenkorb, in dem sie die nassen Handtücher der letzten Nacht gesammelt hatte.
Durch die Ritzen des Flechtwerks tropfte es noch immer.
    »Stell die Wäsche im
Gang ab«, sagte Kiki. »Wir haben keinen Strom.«
    Sturmtief Lukas hatte
ganze Arbeit geleistet. Die ehemalige Sandkrugschule glich einem Krisengebiet.
Kein warmes Wasser, kein Licht, kein Telefon, kein Internet. Der ganze
Landkreis war von der Außenwelt abgeschnitten. Der umgekippte Verteilerturm
hatte sich im Wind über die einzige Zufahrtsstraße nach Birkow gelegt. Die
Sackgassenlage des Dorfes erwies sich einmal mehr als Standortnachteil.
    »Der Bauer von nebenan
sagt, dass sich die Reparatur den ganzen Tag hinziehen kann. Die haben im
Kuhstall ein Radio, das auf Batterie läuft.«
    Judiths Blick glitt
über Kikis Buchhaltungsstapel. Um die Elektrizität kümmerten sich andere, das
Dach war deutlich Kikis Baustelle. Kiki brütete über Kindergeldbescheiden,
möglichen Außenständen von Max und Kontoauszügen, die vielleicht noch ein Plus
aufwiesen.
    »Um neun Uhr kommt
unser Bauunternehmer. Bis dahin muss ich einen geheimen Geldtopf aufgetan
haben«, sagte sie zu Judith. »Du hast nicht zufällig Interesse an einem
Traktor, Marke Ferrari?«
    »Hast du überhaupt noch
einen Überblick?«, erkundigte Judith sich vorsichtig.
    »Nein«, gab Kiki offen
zu. »Aber was macht das? Wenn man alles so genau weiß, kann man nur
verzweifeln.«
    »Und

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