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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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die kleine Greta hatte
augenscheinlich einen elternfreundlichen Schlafrhythmus entwickelt, nachdem sie
beim letzten Trip der Dienstagsfrauen jeden Morgen schon vor dem Grauen begrüßt
hatte.
    Am Eingang zur Aula
wedelte Caroline vorsichtig mit der Hundeleine. Vielleicht wollte Oskar sie auf
ihrer frühmorgendlichen Erkundungstour begleiten? Als Bewacher? Der Pudel
öffnete vorsichtig das linke Auge, um zu überprüfen, ob er eine Mahlzeit
verpasste. Als er begriff, dass es um Frühsport ging, bedachte er Caroline mit
einem mitleidigen Blick, gähnte einmal herzhaft und drehte sich wieder um. Alle
Versuche, den Hund dazu zu bewegen, seinen Platz am warmen Ofen zu verlassen,
blieben erfolglos.
    »Bei Oskar handelt es
sich um ein Indoor-Modell«, sagte eine Stimme. »Der letzte Schrei, seit
Flokatis out sind.«
    Die Stimme gehörte Eva.
    »Habe ich dich
geweckt?«, fragte Caroline schuldbewusst.
    »Ich bin schon seit
Stunden wach«, gab Eva zu.
    Caroline untersuchte
vorsichtig den Knöchel, der noch ein bisschen dicker angeschwollen war.
    »Wir werden einen Arzt
brauchen«, sagte sie beunruhigt.
    Eva schüttelte
energisch den Kopf: »Bloß nicht. Die machen einen erst richtig krank.«
    »Das sieht nicht gut
aus«, warnte Caroline.
    »Ich komme prima
zurecht«, sagte Eva. »Ich stehe unter ärztlicher Beobachtung.«
    Caroline zögerte.
Ärzte, das wusste man, waren die schrecklichsten Patienten.
    »Los, verschwinde«,
befahl Eva. Zur Bestätigung griff sie den pädagogischen Ratgeber. »Sonst
bekomme ich nie raus, wie ich mit meinen Teenies umgehen soll.«
    »Ich bin in einer
Stunde zurück«, versprach Caroline. »Hoffentlich.«

16
    Mein Gott, tat das weh.
Eva hatte nicht die geringste Lust, dem Schmerz nachzugeben. Sie wollte Ferien.
Aber doch nicht so.
    Sie versuchte, sich auf
das Handbuch zu konzentrieren. Der Ratgeber machte bereits auf den ersten
Seiten deutlich, dass bei Jugendlichen zwischen zwölf und siebzehn weder
Einsicht noch Empathieempfinden zu erwarten seien. Wie ein Sturm würde die
Phase absoluter Eigenbezogenheit über das Leben von Pubertierenden hinwegfegen.
Wichtig war, das betonte der Autor auf jeder Seite dreimal, in
Krisensituationen nicht davonzulaufen, sondern im Gespräch mit seinen Teenagern
und dem Ehepartner zu bleiben. Andernfalls verhalte man sich nicht anders als
ein zweijähriges Kind, das sich die Augen zuhält und glaubt, verschwunden zu
sein. Dass man sich selber eine Woche Erziehungsurlaub verordnete, kam in
diesem Buch nicht vor. Eva pfefferte den Ratgeber in die Ecke. Bereits nach
drei Minuten Lektüre war ihr bewusst geworden, dass sie alles falsch gemacht
hatte, was man bei der Aufzucht von Teenagern beherzigen musste. Kein Wunder,
dass sie dauernd mit Frido stritt.
    Normalerweise war Eva
zu beschäftigt, um sich allzu kritisch mit ihrem Leben auseinanderzusetzen.
Jetzt war sie lahmgelegt und fand keine andere Abwechslung, als sich und ihre
gesamte Existenz infrage zu stellen.
    »Du hast eine
Midlife-Crisis«, würde ihre Mutter nüchtern konstatieren und ihr dann wortreich
den einen oder anderen Selbsterfahrungskurs andienen.
    Kiki war da
pragmatischer: »Du musst das Heute genießen«, empfahl sie immer. »Egal, wie es
aussieht. Wer weiß, was morgen ist.«
    Kiki hatte vollkommen
recht: Man musste versuchen, aus dem Moment herauszuholen, was drinsteckte. Man
durfte nichts aufschieben. Wenn sie noch Träume für ihr Leben hatte, dann war
jetzt der richtige Moment, sie anzugehen. Aber was war wirklich wichtig? Was
durfte man im Leben um keinen Preis verpassen? Was wollte sie noch erreichen?
Schlank werden? Das erschien Eva zu oberflächlich. Zwischen ihr und ihrem
Übergewicht herrschte gegenwärtig Waffenstillstand. Musste man einmal im Leben
Fallschirm gesprungen sein? Vielleicht sollte sie wie einst ihre Mutter vor dem
Taj Mahal posieren? Oder das Amazonas-Gebiet mit einem Boot erkunden? Eva zog
ihren Kalender aus der Tasche. Sie begann, an ihrer ultimativen To-do-Liste zu
arbeiten, in der sie alles aufführen würde, was sie erledigen, fühlen,
ausprobieren und erleben wollte, bevor das Schicksal und Pfarrer Renner
zuschlagen konnten.

17
    Caroline trat vor die Tür.
Frische Morgenluft begrüßte sie. Der nächtliche Sturm hatte sich gelegt. Sie
waren spät angekommen in Birkow. Noch hatten sie nicht viel gesehen von dem
Anwesen. Nicht allein das Unwetter hatte dem Garten der Sandkrugschule übel
mitgespielt. Die Grünfläche an der Rückfront des Hauses zeigte deutlich

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