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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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einen
Wassertropfen auf die Stirn. Stimmen klangen verzerrt an ihr Ohr. Die
Freundinnen bewegten sich wie in Zeitlupe. Vier Gesichter über ihr, vier
besorgte Mienen.
    »Alles in Ordnung?«,
hörte sie Carolines Stimme. Die Freundin klang, als spräche sie aus dem Inneren
eines Wattebauschs.
    »Ruhig atmen«, befahl
Caroline, als sei sie die Ärztin. »Ganz ruhig.«
    Nach zwei Minuten ließ
das Schwanken des Raums nach, die Konturen der Gesichter gewannen an Schärfe.
Je mehr der Schwindel nachließ, umso stärker drängte der Schmerz nach vorne.
Sie brauchte gar nicht nachzusehen. In dem Gummistiefel nahm ihr Knöchel gerade
eine dunkelblaue Farbe an.
    »Ich spiele Schicksal«,
stöhnte Eva. »Wenn es mich nicht von selber erwischt, helfe ich Tollpatsch eben
nach.«
    Kiki brachte einen
Eisbeutel, Judith Trost: »Du hättest nach der Geschichte in der Schule nicht
gleich weitermachen dürfen. Man muss das erst mal sacken lassen.«
    »Ich sehe immer unseren
Pfarrer vor mir«, erklärte Eva. »Und Bilder von meiner eigenen Beerdigung. Das
hat mich umgehauen.«
    »Wer Angst vorm Tod
hat, hat noch nicht genug gelebt«, meldete Kiki sich zu Wort. »Du musst von
jetzt an nur noch das tun, was du wirklich willst.«
    Estelle sah zweifelnd
auf das Pfützenmeer: »Und das ist, was du wolltest?«, wandte sie sich an Kiki.
    »Eins weiß ich sicher«,
warf Kiki ein, »ich werde nicht von dieser Erde abberufen, bevor wir mit dem
Renovieren fertig sind. Das Schicksal weiß ganz genau, dass es nie wieder einen
neuen Mieter findet.«
    Eva bewunderte die
Freundin. Kiki probierte, selbst bei schlechtem Wetter und noch schlechteren
Nachrichten den Optimismus nicht zu verlieren. Sie versuchte, es der Freundin
nachzutun: »Geht schon wieder«, log sie tapfer. Dabei pochte und schmerzte das
Sprunggelenk wie verrückt. Auftreten war unmöglich.
    Der Pfarrer schwieg.
Stattdessen verkündete die Fachfrau in ihr schon mal das ärztliche Urteil: Sie
würde viel Zeit bekommen, sich in liegender Schonposition in die Geheimnisse
der Pubertät einzulesen. Zu viel.

15
    Kurz nach vier lag
Caroline wieder in ihrem Bett. Wind und Regen hatten nachgelassen, die
Planschbecken fingen zuverlässig das Wasser auf, das sich noch immer den Weg
durchs Gebälk bahnte. Sie hatten alle zusammen in der Aula heiße Schokolade
getrunken und Eva eine neue Nachtstatt bereitet. Eva war nicht mehr in der
Lage, auch nur einen einzigen Schritt zu gehen. Caroline vermutete eher, dass
ihr der Klassenzimmer-Trakt mit den durchweichten und morschen Decken nicht
mehr geheuer war. Eva schlief lieber auf dem Sofa in der Aula, gleich neben
Oskar, der ihr das Jaulen abnahm. Die beiden bildeten ein großartiges Team. Der
Pudel hatte mindestens genauso viel Angst vor den unbekannten Geräuschen wie
Eva.
    Caroline löschte das
Licht. Mit ein bisschen Glück fand sie noch ein paar Stunden Schlaf, bevor es
morgen an die Arbeit ging. Auf dem Nachttisch blinkte ein winziges Licht. Ihr
Telefon meldete einen eingegangenen Anruf. Wie ein Warnlicht blinkte die
Anzeige.
    Caroline zog die
Bettdecke über sich. Es war ihr egal, wer mitten in der Nacht etwas von ihr
wollte. Sie würde ihre Voicemail auf keinen Fall abhören. Was könnte sie um
diese Zeit schon erledigen? Sie nahm sich ein Beispiel an ihrer Tochter.
Josephine lebte in digitaler Diät. Vor ein paar Monaten hatte sie verkündet,
dass sie ihre E-Mails nur noch einmal am Tag lese und beantworte und am
Wochenende überhaupt nicht mehr. Sie wolle sich nicht mehr vom permanenten
Eingang mehr oder weniger wichtiger Mitteilungen bei der Arbeit oder dem Leben stören
lassen.
    »Stell dir vor, dein
E-Mail-Eingang wäre ein realer Briefkasten und du würdest alle fünf Minuten
rauslaufen, um zu sehen, ob etwas Neues angekommen ist«, hatte Josephine ihren
Schritt begründet. »Sie würden dich in die Klapsmühle bringen. Mit Recht. Im
Arbeitsleben halten wir das für normal.«
    Caroline folgte dem
guten Beispiel ihrer Tochter. Sie hielt durch. Drei Minuten. Dann fischte sie
nach ihrem Handy. Sie hatte es geahnt. Im Ohr klang die verhasste
Computerstimme. »Du kannst dich nicht verstecken. Ich bin näher, als du
denkst.«
    Energisch löschte sie
die Mailbox-Nachricht. An Schlaf war trotzdem nicht mehr zu denken.
    Als das erste Licht des
Morgens über den Horizont kroch, tapste Caroline in Trainingsanzug und
Joggingschuhen über den Gang. Im Dunkeln, die Glühbirne war wohl kaputt. Nach
den Aufregungen der Nacht schliefen alle noch. Selbst

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