Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
hervor.
Sie löste ihren Blick
von den Karten und verkündete das Urteil: »Richten Sie Ihrer Freundin aus, dass
wir nächste Woche ein Inkassobüro einschalten.«
Judith reagierte nicht
auf das Verdikt. Sie hatte das Gefühl, etwas gefunden zu haben, womit sie Peggy
knacken könnte: »Und hat die Vorhersage damals gestimmt?«, erkundigte sie sich.
»Weiß nicht. Ich habe
mich an keine der Empfehlungen gehalten«, brummte Peggy. »Wer glaubt schon an
so was.«
Judith ahnte, was
passiert war. Peggy führte nicht das Leben, das sie ihrer Meinung nach
verdiente. Vermutlich fragte sie sich, ob ihr tief empfundenes Unglück etwas
damit zu tun haben könnte, dass sie die guten Ratschläge von einst
ausgeschlagen hatte.
»Wollen Sie es noch
einmal ausprobieren?«, fragte Judith.
Peggy zweifelte:
»Verstehen Sie etwas davon?«
Judith nickte. »Meine
Trefferquote ist nicht schlecht.«
Peggy zweifelte einen
Moment.
»Nur bis Kiki da ist,
und vollkommen gratis«, bot Judith an.
»Dann machen Sie mal«,
brachte Peggy hervor. Hinsetzen wollte sie sich nicht. Gucken schon.
Judith zitterte ein
bisschen. Das war ihre Chance, ihrer Freundin Kiki zu einem geflickten Dach zu
verhelfen. Wenn sie nur das Zauberwort traf.
32
Sie war zu spät. Als Kiki
nach ihrer Runde mit Greta und dem Buggy Richtung Minol-Tankstelle
zurückkehrte, verließ Peggy gerade den Genossenschaftsladen. Mit roten Wangen,
feuchten Augen und ungebeugter Haltung.
»Wir können Ihnen nicht
helfen. Und wir werden Ihnen nicht helfen«, rief sie Kiki entgegen. »Lassen Sie
den Bruno in Ruhe.«
Kiki war gerade einmal
zwanzig Minuten weg gewesen, und alles schien entgleist zu sein.
»Was hast du bloß mit
ihr angestellt?«, fragte sie Judith, als sie nach drinnen kam.
Judith packte schuldbewusst
die Karten zusammen: »Ich nicht. Die Karten.«
Kiki war aufgebracht:
»Und was sagen die?«
Judith deutete auf das
Blatt: »Bei ihrem Blatt dreht sich alles um die Liebe. Sie bekommt die Chance,
eine Fehlentscheidung zu korrigieren…«
Kiki stöhnte tief auf:
»Kein Wunder, dass sie gereizt reagiert.«
»Was ist daran so
schlimm?«, fragte Judith nach.
»Alles«, empörte sich
Kiki. »Jeder im Dorf kennt die Geschichte. Peggy war früher mit einem anderen
zusammen: Rico. Der hat seinem jungen Kompagnon Bruno alles beigebracht. Zum
Dank hat er ihm Peggy ausgespannt. Und den Laden übernommen. Feindliche
Übernahme nennt man das.«
»Ich glaube, sie hat
Rico nie vergessen können«, vermutete Judith. Aus ihrer Stimme klang Stolz,
richtiggelegen zu haben.
Kiki konnte nur noch
den Kopf schütteln: »Ich brauche einen Dachdecker, keinen Wahrsager, der
nebenbei Paartherapie anbietet.«
»Sie hat das Gespräch
von selber in die Richtung gedrängt«, verteidigte sich Judith. »Sie hat von der
alten Liebe angefangen.«
Kiki hatte genug von
Judiths freundlicher Unterstützung: »Hättest du ihr nicht erzählen können, dass
ihr Mann vollkommen uneigennützig einem in Not geratenen Mitmenschen hilft?«
»Vielleicht überlegt
sie es sich noch«, meinte Judith kleinlaut.
Das war’s dann wohl.
Kiki sagte nichts mehr. Sie packte die Sachen zusammen und löschte das Licht.
»Lass uns nach Hause gehen.«
Judith hatte ein
schlechtes Gewissen: »Lebt dieser Rico noch im Dorf?«
Kiki nickte: »Der hält
sich mit einem Fahrradverleih und Reparaturarbeiten über Wasser. Dabei war er
besser als der Bruno. Sagt man.«
Judiths Miene erhellte
sich: »Warum fragen wir den nicht? Der weiß sicher noch, wie man ein Dach
repariert.«
»Der redet mit keinem
mehr«, wandte Kiki ein. »Nicht mit den Neueinsteigern. Nicht mit den
Alteingesessenen. Sein Vater war Kubaner. Ein Werftarbeiter auf Hilfseinsatz im
sozialistischen Bruderstaat. Seine Mutter hat ihn alleine großgezogen. Der
gehörte nirgendwo richtig hin.«
»Wir fragen ihn«,
schlug Judith vor. Sie hatte deutlich das Bedürfnis gutzumachen, dass sie Peggy
verärgert und verjagt hatte. »Wir gewinnen ihn für unser Projekt«, ereiferte
sie sich. »Es ist einen Versuch wert.«
Gemeinsam liefen sie
von der Minol-Tankstelle zu Ricos Fahrradverleih. Der Halbkubaner hatte sich
auf ein ehemaliges Lagergrundstück am Dorfrand zurückgezogen, das von einem
Urwald an Pflanzen umgeben war. Wie eine grüne Mauer schotteten mannshohe
Büsche Rico vor neugierigen Blicken ab. Schwarzers ehemaliger Kompagnon wollte
offensichtlich nichts mit Menschen zu tun haben. Nicht einmal mit seinen
Kunden. »Fahrräder zu vermieten« stand
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