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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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weiterrauchen, sollte ein kurzes
Leben in den Karten stehen, lohnt es sich nicht mehr aufzuhören.«
    Judith breitete die
Karten auf dem Bistrotisch aus. Im Hintergrund hörte sie die Ladenglocke. In
der Tür stand eine hagere Frau mit strengem Kurzhaarschnitt und harten
Gesichtszügen.
    »Das ist Peggy«,
flüsterte Ingrid.
    »Die Frau vom
Schwarzer?«, raunte Judith zurück.
    Ingrid nickte und
verzog das Gesicht. Sie sah auf einmal nicht wesentlich fröhlicher aus als
Peggy.
    Kiki hatte erzählt,
dass sich die angestammte Birkower Bevölkerung nur selten in die Tankstelle
verirrte. Eine unsichtbare Demarkationslinie trennte die Gemeinde in zwei
unversöhnliche Lager: die neuen und die alten Bewohner. Dass es hier inzwischen
mehr Zugezogene aus den Großstädten und andere Möchtegernbauern gab, die am
Wochenende Landwirt spielten und von Montag bis Freitag ihren Latte macchiato
am Prenzlauer Berg schlürften, half dem Prozess des dörflichen Zusammenwachsens
nur bedingt. Von einer Dorfgemeinschaft konnte keine Rede sein. Man blieb unter
sich. Saßen die Ureinwohner eher im Helsinki Club, der Bar im Bowlingcentrum,
trafen die Neu-Birkower in der Minol-Tankstelle zusammen, die sie gemeinsam
führten. Kiki hatte mit kaum einem der Alteingesessenen mehr als drei Sätze
gesprochen. Den anderen Neueinwohnern ging es ähnlich. Bis heute.
    »Ist das ein gutes oder
ein schlechtes Zeichen, dass sie hier auftaucht?«, flüsterte Judith.
    Ingrid zuckte die
Schultern: »Es ist auf jeden Fall eine Premiere. Die war noch nie hier.«
    Alle Anwesenden waren
in Kikis Kalamitäten eingeweiht. Alle wussten, dass sie auf Schwarzers Goodwill
angewiesen war, wollte sie pünktlich in drei Wochen eröffnen. Die Szene glich
dem Showdown im Western, wenn die Kontrahenten im Saloon aufeinandertrafen, um
sich für das finale Duell zu verabreden.
    »Kein Wunder, dass ihr
Mann vor ihr kuscht«, raunte Ingrid.
    Peggys entschlossene
Miene ließ nichts Gutes erwarten. Sie wollte zweifelsohne zu Kiki.
    Judith ging offen und
freundlich auf Peggy zu: »Frau Eggers muss jeden Moment zurück sein«, begrüßte
sie die Frau. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    Peggys Augen glitten
kritisch über das Warenangebot. Neugierig nahm sie eine Flasche Wein in die
Hand. »Ökologischer Weißburgunder, 19,88 Euro«, las sie von einem
Preisschild ab. »Und dann ist der sauer wie Essig.«
    »Sie können gerne ein
Glas probieren«, bot Hobbyjäger Julius an. »Ein Freund von mir baut den an.«
    »Ich fahre immer zu
Sky«, wehrte Peggy ab. »Dort haben sie diesen lieblichen griechischen. Viel
billiger.«
    Judith konnte sich nur
allzu gut vorstellen, wie Peggy abends vor dem Fernseher ihren süßen
Wermutstropfen trank. Sie bezahlte diese Vorliebe am nächsten Morgen offenbar
mit chronisch schlechter Laune.
    Peggy hatte keine Lust
zu warten: »Wir lassen uns das Geschäft nicht kaputt machen, das können Sie
Ihrer Freundin ausrichten«, sagte sie. »Alle sind weggegangen. Aber wir sind
hiergeblieben. Wir haben uns was aufgebaut. Und wir haben nichts zu
verschenken.«
    Judith ergriff Kikis
Partei: »Es gibt eine Stiftung, meine Freundin ist gerade dabei…«
    Weiter kam sie nicht.
Denn hier hatte nur eine das Sagen.
    »Ist ja gut, dass die
Wirtschaft angekurbelt wird«, unterbrach Peggy sofort. »Aber warum ausgerechnet
von den Leuten, die kein Geld haben? Alles auf Pump.«
    Judith verstand, was
Peggy umtrieb: Jede unbezahlte Rechnung wertete sie als Anschlag auf den Sinn
ihres Lebens. Peggy kannte keine Gnade. Wieso auch? War das Schicksal etwa
gnädig mit ihr?
    »Das wird sich klären«,
versprach Judith. »Meine Freundin Estelle kümmert sich gerade um die Freigabe
der Gelder für die Sandkrugschule.«
    »Sie brauchen gar nicht
so hochnäsig zu tun«, fuhr Peggy sie an. »Ich habe auch Abitur. Ich kann
rechnen. Und für das ›Fräulein Kiki‹ zu arbeiten, hat sich noch nie gerechnet.«
    Ingrid schob die
Wahrsagekarten zusammen und legte sie Judith auf die Theke.
    »Meine Zukunft kann
warten«, sagte sie und verdrückte sich diskret. So lustig war es denn auch
nicht, dabei zu sein, wenn Peggy ihr Gift versprühte. Die anderen Gäste folgten
ihrem Beispiel.
    Peggy starrte die
Karten an, als habe sie soeben eine kosmische Eingebung bekommen.
    »Sie haben Erfahrung
mit den Karten?«, fragte Judith. Vielleicht konnte man besser mit ihr alleine
sprechen.
    »Mein Exfreund hat mich
mal zu einer Wahrsagerin mitgeschleppt…«, brachte Peggy zögernd

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