Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
begriff sie, dass sie sich getäuscht hatte. In beinahe
allem.
»Die junge Frau
Heinemann bedankt sich sehr für Ihren Hinweis auf den bevorstehenden
Eröffnungstermin«, säuselte Gisela Pelzner. »Sie wird gleich nach Pfingsten
nach Birkow reisen, um sich persönlich über den Fortgang des Projektes zu
informieren.«
Estelle war
fassungslos: »Ich bin bereits vor Ort.«
Oskar beobachtete sein
Frauchen mitleidig. Hektische rote Flecken breiteten sich über Estelles Hals
und Gesicht aus. Er knurrte solidarisch.
»Die Stiftung arbeitet
jetzt mit einer hauptamtlichen Geschäftsführerin«, sagte ihre langjährige
Büroleiterin.
Mit hauptamtlich meinte
sie Estelles Schwiegertochter Sabine. Anders als Estelle hatte sie darauf
gedrungen, dass ihre Tätigkeit für die Firma ihres Schwiegervaters auf eine
sichere rechtliche Basis gestellt wurde. Estelle erinnerte sich, wie sie selbst
als junge Frau an der Seite von Arthur Heinemann zum ersten Mal in der Firma
aufgetaucht war. Als Anhängsel vom Chef. Noch dazu als zweite Frau. Sabine
hatte von Anfang an einen Vertrag und ein Gehalt für sich gefordert und
bekommen. Sie machte alles richtig. Leider auf Estelles Kosten.
»Seit über zwanzig
Jahren kümmere ich mich um die Stiftung«, wetterte Estelle. »Unentgeltlich. Und
jetzt kommt diese dumme Tussi und glaubt, sie müsse mich aushebeln.«
»So dürfen Sie das
nicht sehen. Die junge Frau Heinemann will Sie nur entlasten. Sie haben schon
viel zu viel unentgeltlich getan. Sagt sie.«
Sabine lobte sie ins
Abseits. Im Apothekenimperium schien Sippenhaftung zu gelten. Bloß weil Arthur
schlappmachte, wurde sie mit ausgemustert. Estelle hatte die Rechnung ohne
ihren Intimfeind gemacht: den Zahn der Zeit. Sie hatte nie wirklich darüber
nachgedacht, dass der Tag kommen könnte, an dem ihr Apothekenkönig abdanken und
eine neue Königin das Zepter in der Firma übernehmen würde. Die Rolle der Queen
Stepmum musste für das Unternehmen Heinemann wohl noch erfunden werden. Sie
hatte das Rampenlicht, das die Charity-Arbeit ihr garantierte, immer geschätzt.
Jetzt kurbelte Sabine den Vorhang runter. Estelle hatte ihre eigene Methode,
dem Alter zu trotzen. Sie verschwieg es. Auf Dauer half das nur bedingt.
»Sehe ich aus, als
wollte ich in Rente gehen?«, schimpfte Estelle.
»Die junge Frau
Heinemann dachte, Sie freuen sich, wenn Sie in Zukunft mehr Zeit für sich
haben. Sie fand, dass Sie in der letzten Zeit angegriffen ausgesehen haben.«
In Estelles Kreisen gab
es drei Lebensalter: Jung, mittel und »du siehst mal wieder fabelhaft aus,
meine Liebe«. Angegriffen auszusehen kam einem gesellschaftlichen Todesurteil
gleich. Von Sabine direkt hörte sie kein böses Wort. Es waren alles nur gut
gemeinte Hilfestellungen. Wenn sie sich nicht wehrte, würde Sabine sie schon
mal präventiv für die Hüftgelenksoperation und die Anpassung der dritten Zähne
anmelden. Um ihr was abzunehmen. Mit 55 plus gehörte man noch lange nicht zum
alten Eisen. Bis zu Sabine hatte sich das wohl noch nicht rumgesprochen.
»Ich erwarte, dass
Sabine sich persönlich bei mir meldet«, bellte Estelle ins Telefon. »Ich gebe
ihr eine Stunde.«
Ihr Mann Arthur würde
sich aus dem Konflikt raushalten. Das wusste sie. »Ihr einigt euch schon«,
sagte er gerne.
»Die jungen Leute sind
nach Tirol gefahren«, erklärte die Büroleiterin. »Ihnen war nicht wohl bei dem
Gedanken, dass Ihr Mann ganz alleine in der Jagdhütte ist.«
Die einfache Holzhütte
in den Bergen, die so abgeschieden lag, dass noch nicht mal Handys Empfang
hatten, war Arthurs ultimativer Rückzugsort. Estelle fragte sich, ob ihr Mann
unerwarteten Familienbesuch schätzen würde.
»Sabine meint es
wirklich gut«, betonte Frau Peters. »Sie macht sich große Sorgen um Sie beide.«
Estelle auch. Sie
machte sich vor allem Sorgen darüber, was sie Sabine antun würde, wenn sie
wieder in Köln war.
»Ist alles in Ordnung
mit dir?«, fragte Caroline, nachdem Estelle aufgelegt hatte.
Zehn Minuten nach dem
Gespräch überlegte Estelle immer noch, wie sie die Palastrevolution stoppen
könnte.
»Was ist denn jetzt
schon wieder?«, fragte Kiki aus dem Hintergrund. In der Hand hielt sie ihr
Telefon. »Sabine Heinemann hat sich für nächste Woche angekündigt.«
»Das ist eine
Kampfansage«, meinte Estelle lapidar. »Man bekriegt sich nicht auf eigenem
Terrain, sondern weicht auf ein fremdes Schlachtfeld aus, um dort die Messer zu
wetzen.«
Estelle konnte sich
lebhaft vorstellen, wie die
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