Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Wände in ihrer Wohnung, die noch
keinen Missklang und Zank erlebt hatten. Ihr Exmann Philipp kannte noch nicht
einmal die neue Adresse. Wozu auch? Caroline war über den Punkt hinaus,
irgendjemandem beweisen zu wollen, wie toll sie geschieden waren. Diese Wohnung
stand für ihr neues Leben als allein lebender Single. Solange es Dinge gab, die
zum ersten Mal passierten, hatte das Leben einen Sinn. Weniger Sinn hatte es,
mit Eva zu streiten. Es war Caroline nicht entgangen, dass Eva alles, was
Steiner anstellte und sagte, großartig fand.
»Du lässt dich doch
nicht von dem einlullen, Eva«, warnte Caroline.
»Nicht jeder Mann, der
freundlich zu mir ist, ist automatisch ein Verbrecher«, meinte Eva
eingeschnappt.
»Das ist kein Zufall,
dass er hier herumschleicht. Ich glaube kein Wort von dem, was er sagt.«
Caroline war kein
bisschen besser als Eva. Wenn sie ehrlich war, kreisten ihre Gedanken
ununterbrochen um Steiner.
»Er hat eine
Abhörgarnitur unter dem Bett«, informierte sie die Freundin.
»Er ist Ornithologe. Er
interessiert sich für Vögel«, gab Eva zu bedenken. »Und er hat ein gutes Gehör.
Das hat er eben gerade bewiesen.«
Caroline konnte es kaum
glauben: »Du bist naiv, Eva.«
»Und du nervst mit
deinem Verfolgungswahn.«
Caroline knallte der
Freundin ihr Telefon hin: »Vielleicht magst du dir ja die Drohanrufe anhören.
Ich habe keine Lust mehr dazu.« Sie stapfte von dannen, drehte wieder um und
packte das Telefon. »Du kannst sie dir anhören, sobald Nora sich gemeldet hat.«
Sie ärgerte sich. Hatte
Judith am Ende recht mit ihrer Prophezeiung, dass ein Mann die Dienstagsfrauen
auseinandertreiben würde?
31
Die Kaffeemaschine
gurgelte. Der Geruch gebrannter Kaffeebohnen durchzog die ehemalige Tankstelle.
Judith hatte Kiki zu ihrem sonntäglichen Dienst im Genossenschaftsladen
begleitet. Wohlig lehnte sie sich zurück: Nach zwei Tagen voller Entbehrungen
war Kikis frisch aufgebrühter Cappuccino eine Offenbarung. Der Laden war voll.
Während die Menschen in der Kölner Innenstadt nur kurz bei »Coffee to go«
eingefallen waren, um nach rascher Koffeinzufuhr hastig weiterzueilen, hatte
die Birkower Filiale die gegenteilige Funktion. Es war ein großes Kommen und
Bleiben. Hobbyjäger Julius (in Wirklichkeit ein Architekt aus Hamburg) lieferte
frisches Rehfleisch ab, seine Frau Gloria den sonntäglichen Käsekuchen aus
Ziegenmilch und Geschichten aus der Sturmnacht.
»Wir haben das Haus seit
acht Jahren«, berichtete sie, »so eine Nacht habe ich noch nie erlebt.«
»Der Schwarzer hat
sofort die Preise erhöht«, wusste eine üppige Rothaarige beizusteuern, die Kiki
als ihre Freundin Ingrid vorgestellt hatte. Seit fünfzehn Jahren führte Ingrid
eine Töpferwerkstatt im Dorf. Sie war die erste Westlerin gewesen, die damals
ein Haus in Birkow gekauft hatte. Mit ihrem orangeroten langen Haar, das sie
mit einem bunten Tuch bändigte, und dem tonverschmierten blauen Arbeitsoverall
war sie eine auffällige Erscheinung und Kikis Nachhilfelehrerin, wenn es ums
Kochen ging.
In der Tankstelle ging
es munter durcheinander. Der Sturm hatte die Menschen gesprächig gemacht. Man
tauschte aus, was der Regen den alten Häusern, die mit viel Liebe zum Detail
renoviert worden waren, angetan hatte. Und der Stromausfall den Menschen.
»Ich dachte, ich werde
seekrank«, erzählte Judith, »so sehr schwankten die Bäume vor unserem Haus.«
Der Laden war ein Platz
zum Verweilen, Reden und Kennenlernen. Judith wurde in die Runde aufgenommen,
als würde sie immer schon dazugehören. Jeder duzte jeden. Nur Greta war
unzufrieden. Sie stand vor den Gläsern mit den Süßigkeiten, reckte die
verklebten Schokoladenfinger hoch und brüllte herzzerreißend. Kiki nahm ihre
Tochter hoch und verfrachtete das protestierende Mädchen in den Buggy. »Sie ist
müde«, entschuldigte sie sich. »Ich lauf eine Runde mit ihr, vielleicht schläft
sie dann ein.«
Judith nickte: »Ich
halte die Stellung.«
»Du bist also die
Seherin, von der Kiki erzählt hat?«, sprach Ingrid sie an.
Judith wehrte ab: »Ich
habe gerade erst mit dem Kartenlegen angefangen.«
Doch Ingrid war
versessen darauf, mit Judith einen Blick in ihre Zukunft zu werfen. »Am meisten
interessiert mich, wie es um meine Gesundheit steht«, sagte sie mit tiefer Stimme,
die wahrscheinlich mit Ingrids Angewohnheit zusammenhing, sich alle
Viertelstunde vor der Tür eine von ihren gelben Gitanes anzustecken. »Wenn du
mir ein langes Leben prophezeist, kann ich
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