Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
auf einem handgemalten Schild und
darunter »Selbstbedienung«. Die glänzenden Drahtesel standen frei zugänglich im
Eingangsbereich. Als Fahrradständer dienten zwei Holzpaletten, die im 90-Grad-Winkel
aufeinandergeschraubt waren. Daneben ein handgeschriebener Zettel mit den
Preisen und eine Schatulle, in die man die Leihgebühr einwerfen sollte. »Kein
Wechselgeld«, warnte er schriftlich.
»Ich habe nicht den
Eindruck, dass der scharf darauf ist, Besuch zu empfangen«, vermutete Kiki.
Judith öffnete
vorsichtig das Tor zum asphaltierten Hof. Zu ihrer Rechten lag das Lager. Jede
Menge Blech: halbe Fahrräder, Kugellager, Ketten, herrenlose Schutzbleche,
unbereifte Felgen. Die Einzelteile wurden offenbar von Rico in liebevoller
Kleinstarbeit zu neuen Fahrrädern zusammengesetzt. Ein halb offener Schuppen,
der aus lauter alten Türen zusammengezimmert war, diente als Arbeitsplatz. Über
der Werkbank schaukelte ein altes Skateboard. Die Rollen waren durch helle
Arbeitsleuchten ersetzt worden.
»Der macht aus Alt
Neu«, sagte Judith. »Genau so jemanden brauchst du.«
»Hallo, ist hier
jemand?«, rief Kiki ratlos über den Hof. In der Luft hingen merkwürdig
flirrende Töne. Eine Musik aus sphärischen Klängen, wie vom Wind erzeugt. Sonst
blieb es still.
Vorsichtig traten sie
durch eine zweite Pforte, die den Arbeitsbereich von Wohnhaus und Garten
trennte. Unvermutet betraten sie ein grünes Paradies. Kiki, die genau wusste,
wie ein verwilderter Garten aussah, erkannte sofort, dass hier jemand viel Zeit
und Liebe investierte, um seinen Garten so aussehen zu lassen, als wäre das
Ensemble zufällig von der Natur dort hingesetzt. Der Wind streifte durch
verschiedenartige Gräser. Ein vielstimmiges Wispern, Sausen und Rascheln hing
in der Luft, begleitet von seltsam gläsernen Tönen. Am blühenden Apfelbaum
pendelten bunte Scherben an Schnüren und fingen Licht und Wind. Die
Frühlingsbrise schlingerte die Glasteile sanft gegeneinander und brachte den
Garten zum Klingen. Die Töne vereinigten sich zu einer Symphonie, die von der
Magie der Natur erzählte. Selbst Greta konnte sich dem leisen Wunder nicht
entziehen. »Oh, oh, oh«, krähte Greta laut, so wie sie es am Morgen bei
Schwarzer gehört hatte. Sofort erschien ein grauer Schopf über der Hecke des
Nachbargrundstücks.
»Der Rico ist zum
Bowlingcenter rüber«, rief die Nachbarin über den Zaun. »Da hat es einen
Kurzschluss gegeben.«
Hinter dem hochtrabenden
Begriff Bowlingcenter verbarg sich ein schmuckloser
Massivbau, der an die ehemalige Konsumgaststätte angegliedert war. Genauso wie
an der Sandkrugschule kämpften sie hier mit den Folgen des Sturms.
»Wir sind geschlossen.
Bis auf Weiteres«, erklärte der bullige Mann hinter dem Tresen und verwehrte
ihnen den Zugang. So breitbeinig standen sonst nur John Wayne, Fußballtrainer oder
Rausschmeißer auf der Reeperbahn. Sein Blick sagte alles. Mit dem war nicht zu
spaßen. Der ging durch die Welt wie ein geladener Colt: »Der Blitz hat
eingeschlagen«, beschwerte er sich in einem Tonfall, als ob Judith und Kiki
höchstpersönlich die Schuld daran trugen: »Und kein Handwerker zu bekommen. Ich
kann von Glück sagen, dass ich Rico überreden konnte, mir zu helfen.«
Doch die Freundinnen
waren nicht zum Bowlen gekommen. »Genau den wollten wir sprechen«, sagte Judith
und sah interessiert zu dem Mann, der in einem ölverschmierten roten Overall am
Ende der Bowlingbahn lag und versuchte, das automatische Aufhängesystem der
Kegel, die beim Bowling Pins hießen, wieder in Gang zu bekommen. Die beiden
Frauen, die ihn fragend ansprachen, interessierten ihn genauso wenig wie John
Waynes ungeduldiges Drängen. In aller Seelenruhe trottete er zum Ballrücklauf,
nahm einen Bowling-Ball auf und zielte. Die Kugel nahm eine imposante Kurve,
bevor sie mitten in die Pins traf. Sie blieben liegen. Die automatische Aufstellvorrichtung
hakte immer noch.
John Wayne lief
knallrot an. »Drei Stunden ist er schon beschäftigt«, klagte der
Möchtegerncowboy. Die Angst, das traditionelle und lukrative Bowlingturnier
absagen zu müssen, stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Doch so schnell gab
Rico nicht auf. Der Halbkubaner hatte die Statur eines Marathonläufers:
durchtrainiert, sehnig, stark. Die dunkle Hautfarbe und die schwarzen Augen
waren offensichtliches Erbteil seines Vaters. Genauso wie die tänzerische
Eleganz, mit der er sich bewegte. Rico schlüpfte wieder unter die
Aufhängevorrichtung. Beim sechsten Versuch
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