Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Kommentare von Sabine ausfallen würden. Mit dem
Improvisationstalent und unbegründeten Optimismus, den Kiki und Max an den Tag
legten, konnte man die überkorrekte Schwiegertochter sicher nicht beeindrucken.
Aber so einfach würde Estelle die Schlacht um Birkow nicht verloren geben.
»Ich habe meine Arbeit
für den Stiftungsrat immer freiwillig gemacht«, sagte Estelle. »Das heißt noch
lange nicht, dass ich mich freiwillig zurückziehe.«
»Und was sagt dein Mann
dazu?«, fragte Caroline.
»Der will sich zur Ruhe
setzen. Und ich soll ihm dabei Gesellschaft leisten.«
Estelle wandte sich an
Kiki: »Gut, dass du dir einen jüngeren Mann ausgesucht hast. Bei gleicher
Lebenserwartung macht ihr ungefähr zum gleichen Zeitpunkt schlapp.«
»Was willst du tun?«,
fragte Caroline.
»Wir werden genau das
tun, wofür wir hergekommen sind. Wir werden dafür sorgen, dass Kiki pünktlich
eröffnen kann.« Diesmal war Estelle entschlossen, selbst Hand anzulegen: »Ich
werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass die junge Frau Heinemann hier
blühende Landschaften vorfindet.«
»Wie willst du das so
schnell hinbekommen?«, erkundigte sich Kiki. »Meine Anzucht ist heute Nacht
untergegangen.«
»Ich habe Kreditkarten
und die persönliche Verantwortung für dieses Desaster«, erklärte Estelle ihren
Lösungsansatz. »Heute graben, morgen OBI .«
»Macht euch die Erde
untertan«, stand in ihr entschlossenes Gesicht gemeißelt. Und wenn sie nebenbei
auch noch Sabine unterbuttern könnte, umso besser.
34
Düstere Wolken hingen über
Mecklenburg-Vorpommern. Ideales Wetter, um den verwilderten Garten der Sandkrugschule
urbar zu machen. Caroline war zufrieden, eine handfeste Aufgabe zu haben, die
sie von ihren Problemen ablenkte. Von ihrem Smartphone, auf dem immer noch
keine Nachricht ihrer Gehilfin Nora eingegangen war, von ihrem schwelenden
Streit mit Eva, von der Frage, was Thomas Steiner eigentlich in Birkow trieb.
Hatte Caroline sich die vorhergehenden Tage gewundert, dass er ständig irgendwo
rumschlich, beschäftigte sie heute genauso manisch, warum er unsichtbar blieb.
War er wirklich auf der Jagd nach Vogelstimmen? Vielleicht sollte sie sich ihm
anschließen, um zu überprüfen, ob er wirklich eine Ahnung von Ornithologie
hatte. Eigentlich wollte sie die freie Zeit mit den Freundinnen genießen.
Stattdessen kreisten ihre Gedanken unaufhörlich um die Fischerhütte. Wieso
brachte der Mann sie andauernd aus dem Konzept?
»Du wirst sehen, wie
gut es einem geht, wenn man etwas mit den eigenen Händen schafft«, versprach
Kiki, die Carolines düstere Stimmung spürte. »Die Geschichte der Menschheit
beginnt mit einem Garten«, verkündete Kiki fröhlich. »Das ist die ursprüngliche
Art zu leben: dreißig Meter von der Ernte bis zum Teller.«
Doch bevor irgendeine
Bohne, Karotte, Tomate, ein Kürbis oder Salatkopf den Weg in die Küche finden
konnte, musste man ein Beet haben, in dem sie wachsen und gedeihen konnten.
Kiki hatte bereits einen Teil der Wiese zwischen Haus und See für die
Verwirklichung ihres Traums von Selbstversorgung auserkoren.
Das Problem war nur,
dass sich Kikis praktische botanische Kenntnisse auf die Aufzucht eines Kaktus
beschränkten, von dem sie nicht einmal mehr wusste, wie er in ihren Besitz
gekommen war, geschweige denn, wie er überlebt hatte. Sie hatte zwanzig Bücher
über die Anlage eines Nutzgartens angeschafft, war aber bislang noch nicht dazu
gekommen, sie zu lesen. Kiki wäre nicht Kiki, wenn sie sich von mangelndem
Wissen und fehlenden finanziellen Ressourcen beeindrucken ließe. Im Gegenteil:
Sie verkündete, dass diese Herangehensweise geradezu ideal war: »›Learning by
doing‹ ist ohnehin am effektivsten«, meinte sie. Am besten lernte man in der
Praxis, wie gepflanzt, geschnitten, gemulcht und gedüngt wurde oder welche
Pflanze für welchen Platz geeignet war. Kiki hatte keine Ahnung. Sie hatte eine
Vision.
Beherzt drückte Kiki
Caroline Arbeitshandschuhe, Schaufel und einen Pflanzplan in die Hand, den sie
sich vor ein paar Wochen vom Betreiber der Burg Achenkirch besorgt hatte. Kiki,
die damals das Heilfasten als Erste der Freundinnen abgebrochen hatte, war nun
ausgerechnet diejenige, die am meisten von ihrer Fastenwoche profitierte. Sie
eiferte mit einem ehrgeizigen Fünfjahresplan dem Achenkirchner Gemüsegarten
nach, der sie damals so beeindruckt hatte.
Die Wiese hinter dem
Haus war weit, groß und von Moos und Unkraut überwuchert. Man brauchte schon
viel Fantasie,
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