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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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Welt musste man dabeihaben, um ein paar Vögel zu beobachten?
Ihre Zweifel standen ihr wohl ins Gesicht geschrieben.
    »Haben Sie keine
Bedenken, sich meiner Führung anzuvertrauen?«, fragte Steiner mit ironischem
Unterton.
    Hatte sie. Aber das
musste er ja nicht wissen.
    »Lassen Sie uns
losgehen. Sonst verpassen wir den besten Moment«, sagte Caroline und stapfte
Richtung Wald. Dorthin, wo sie Vögel vermutete. Ihre Instinkte trogen.
Jedenfalls, wenn es um vogelkundliche Belange ging. Und in so manch anderer
Hinsicht.
    »Keine Ahnung, aber
eine feste Meinung«, feixte Steiner. »Wenn Sie etwas sehen wollen, sollten wir
offenes Gelände suchen.«
    Als Erstes mussten sie
das Dorf hinter sich lassen. Das matte Licht der Laternen schaffte es kaum, die
Birkower Hauptstraße auszuleuchten. Für wen auch? Kein Dorfbewohner, der um
diese Zeit hinter dem Gartenzaun hervorspähte, kein Autofahrer, der sie vom
Mittelstreifen verjagte, kein Zeuge, der später würde aussagen können, wohin
sie gegangen waren. Selbst Elvis, der es sich sonst nicht nehmen ließ, mit
ordentlichem Krakeelen die Ankunft eines neuen Tages zu vermelden, hatte noch
nichts von sich hören lassen. Birkow schlief. Bis auf zwei einsame Wanderer auf
der Suche nach dem frühen Vogel. Die Spannung, was auf sie zukam, ließ das
stechende Gefühl in Carolines lädierten Muskeln verschwinden. Mit jedem Schritt
lief sie ein Stück leichter.
    »Zu Hause bin ich nie
so früh auf den Beinen«, gab sie zu.
    »Sollten Sie aber«,
antwortete Steiner. »Der Kölner Norden ist perfekt für Vogelkundler. 100
verschiedene Vogelarten, 74 verschiedene Zikaden. Gerade in der Stadt kann man
viel erleben.«
    Caroline wusste nicht
einmal, dass es mehr als eine Zikadenart gab.
    »Die meisten Leute
erkennen Handygeräusche auf hundert Meter Entfernung, haben aber keine Ahnung,
was um sie herum vorgeht«, ereiferte sich Steiner. »Schauen Sie die Jogger in
den Parks an. Die tragen alle Ohrstöpsel und haben längst verlernt, auf ihre
Umgebung zu achten.«
    Caroline sagte lieber
nichts, war sie doch selber nach der Sturmnacht um den Birkower See gelaufen,
im Ohr belanglose Staumeldungen und die Märchenstunde für alle Sternzeichen.
Einen Vogel hatte sie nicht gehört, sich nicht einmal darum bemüht. Allerdings
waren ihre Erfahrungen mit den gefiederten Gesellen bisher eher traumatisch.
Als die Kinder klein waren, hatten sie von einer wohlmeinenden Tante zu
Weihnachten einen quietschgelben Kanarienvogel geschenkt bekommen. Drei Tage
später entwickelte er erste Löcher im Gefieder, um dann für weitere drei Tage
schwer atmend auf dem Boden des Käfigs zu liegen. Sie konnte sich an die Panik
in den Augen der Kinder erinnern und an die verzweifelten Versuche, dem
sterbenden Tier Nahrung und Wasser zuzuführen. An Silvester bereiteten sie ihm
mit einem Silvesterkracher und einem Blockflötensolo von Josephine einen
würdigen Vogelabschied. Ihr Exmann Philipp fand das pathetisch. »Es muss einem
klar sein«, dozierte er immer, »dass jedes Tier, das du ins Haus holst, hier
sterben wird.« Seit dem Frühableben des Kanarienvogels hatte Caroline sich
erfolgreich gegen den Einzug weiterer Haustiere gewehrt. Dabei wollte Vincent
im Teenageralter dringend eine Ratte. Unwillkürlich fiel ihr die tote Ratte im
Briefkasten ein. Und ihr Verfolger.
    »Hören Sie mir
überhaupt zu?«, fragte Steiner in ihre Überlegungen hinein.
    »Ich bin gedanklich in
Köln hängen geblieben«, gab Caroline unumwunden zu.
    »Die erste Lektion für
einen Vogelkundler ist zugleich die wichtigste: zuhören. Und dann die Stimmen
richtig interpretieren. Wenn man das lernt, ist man fürs Leben gewappnet.«
    Sie hatten längst die
Straße verlassen und marschierten auf einem Feldweg. Schweigend näherten sie
sich dem Ziel ihrer kleinen Wanderung: einem Hochsitz. Steiner ließ ihr den
Vortritt. Vorsichtig kletterte Caroline die aus Holzresten zusammengezimmerte
Leiter hoch bis in die Kanzel. Der Aussichtsturm bot einen perfekten Blick über
feuchte Wiesen, frisch bestellte Äcker, leuchtende Rapsfelder und das
schlafende Dorf bis hin zum Birkowsee, der durch einen kleinen Zulauf mit dem
größeren See dahinter verbunden war. Als Steiner die Leiter betrat, schwankte
die Konstruktion bedenklich. Caroline hatte gehofft, ihrem Verfolger bei diesem
morgendlichen Ausflug nahezukommen. Aber so nahe? In luftiger Höhe teilten sie
sich einen winzigen Sitz. Seit der kurzen Affäre mit dem Vater einer Freundin
von Josephine

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