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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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hatte sie keinen Mann mehr so nahe an sich herangelassen.
    Umständlich holte
Steiner Ferngläser, eine Wolldecke und heißen, stark gesüßten Pfefferminztee
hervor. Caroline entspannte sich zunehmend. Man gewöhnte sich selbst daran,
dass bei jeder noch so leisen Bewegung der Hochsitz in Schwingung geriet. Sie
hätte nie gedacht, dass sie diesem Ausflug etwas abgewinnen könnte. Und dem
Zusammensein mit Steiner. Was war er? Ein Meistermanipulator? Harmlos? Caroline
sah nichts durch ihr Fernglas und hörte noch viel weniger. Zu sehr war sie
damit beschäftigt, ihre Theorien über Steiner zu überprüfen. Die Idee, dass
jemand erst Pfefferminztee ausschenkte, bevor er ihr etwas antat, erschien ihr
abwegig. Normalerweise verrieten Lügner sich selbst. Steiner machte keine
Fehler. Und doch war sie sich sicher, dass ihr Gefühl sie nicht trog. Die Art
und Weise, wie er jeder persönlichen Frage mit Gegenfragen auswich, hatte
Methode. Er war aus einem speziellen Grund nach Mecklenburg-Vorpommern
gekommen. Sie musste nur geschickter fragen, ihn in eine verbale Falle locken.
    »Wohnen Sie im Kölner
Norden, oder wie kommen Sie dazu, gerade dort Vögel zu beobachten?«, hörte sie
sich sagen. Indirekte Fragen und Finten legen waren ihre Sache nicht.
    Wie nicht anders zu
erwarten, ging Steiner nicht darauf ein. Stattdessen ermahnte er sie: »Wenn Sie
etwas hören wollen, müssen Sie vor allem den Mund halten.«
    Caroline wurde klar,
dass sie einem Missverständnis aufgesessen war. Sie war mitgegangen, weil sie
mit ihm sprechen wollte. Wer Vögel beobachten will, unterhält sich nicht. Der
schweigt. Sie verstand auf einmal, warum Steiner dieses Hobby hatte. Es passte
zu ihm.

36
    Tock, tock, tock. Eva fuhr
panisch auf. Wo war sie? Welchen Wochentag hatten sie? Was lag an? Sie brauchte
einen Moment, bis sie sich orientiert hatte und begriff, dass sie nicht zu
Hause war, sondern in Birkow. Nur die Geräusche waren real. Eva war irritiert.
Keine der Freundinnen klopfte so schüchtern an die Tür. Die stürmten herein, mit
Frühstück, Geschichten und Plänen. Die Gruselfilme, die sie die halbe Nacht
angesehen hatte, entzündeten ihre Fantasie. Dabei hatte sie sich nur von dem
unangenehmen Telefonat mit Frido ablenken wollen. Merkwürdig distanziert und
unterkühlt war er gewesen, sein Bericht von der Front zu Hause knapp und
unwirsch.
    Eva hatte ebenso
schnippisch reagiert: »Falls es dich interessiert, wie es meinem Fuß geht:
schlecht. Nett, dass du fragst.«
    Später hatte sie sich
geärgert. Über ihren Mann, über Frido jrs. Schnapsideen, an denen sich ihr
Konflikt entzündete, am meisten jedoch über sich selbst. Dass sie zur
Untätigkeit verurteilt war, raubte ihr den letzten Nerv. Um die innere Unruhe
zu bekämpfen, hatte sie die halbe Nacht am Computer verbracht und sich in die
blutige Welt japanischer Horrorschocker vertieft. Gegen Morgen war sie endlich
eingeschlafen. Das Ende des Films hatte sie nicht mehr erlebt. Sie vermutete,
dass es der Hauptfigur ähnlich ergangen war.
    Das Klopfen an der Tür
weckte unangenehme Erinnerungen. Das Bild der Deckenplatte, die beinahe auf sie
niederstürzte, tauchte wieder auf. Sie konnte nicht einmal weglaufen. Seit dem
Tag im Direktorat hielt sie sich nur ungern in Innenräumen auf. Vorsichtig
setzte Eva ihren Fuß auf den Boden. Der Schmerz hatte deutlich nachgelassen.
Wenn sie die Zähne zusammenbiss, könnte sie es nach draußen schaffen. Ängstlich
beobachtete sie, wie sich die Klinke vorsichtig senkte und ein unbekanntes
Männergesicht in der Tür auftauchte.
    »Rico«, stellte der
Mann sich vor. »Ich kümmere mich um das Dach.«
    Die Geschichte musste
wahr sein, denn sein Händedruck war so fest, dass er ihr fast die Knochen
brach. Der Mann war körperliche Arbeit gewöhnt, das spürte man sofort.
    »Ach, hier sind Sie«,
rief Kiki. Sie hatte Rico auf dem gemeinsamen Rundgang durch das Haus aus den
Augen verloren.
    »Ich war neugierig«,
entschuldigte sich Rico. »Das war mal mein Klassenzimmer, in der
Abschlussklasse.« Gerührt sah er sich um: »Der Ofen stand damals schon da. An
der Stelle, wo der Wasserfall hängt, prangten früher Honecker und Karl Marx und
zwischen ihnen ein Spruchband: ›Sozialistisch arbeiten, lernen und leben.‹«
    Eva und Kiki hörten zu,
wie Rico längst vergangenen Zeiten nachhing.
    »Peggy saß ganz hinten
und ich hier vorne.« Zielstrebig ging er auf die Fensterbank zu und fuhr mit
seinen Fingern über die Unterkante. Ein Lächeln flog über

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