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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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sein Gesicht. »Fühlen
Sie mal.«
    Eva humpelte zur
Fensterbank und strich mit den Fingerkuppen über das Holz, bis sie deutlich
Einkerbungen spürte. Striche und zwei eckige Buchstaben. Ein P und ein R.
    »Wir versuchen, dem
Gebäude seine Geschichte zu lassen«, sagte Kiki. »Wir haben uns immer gefragt,
was die Zeichen bedeuten.«
    »Ich habe jedes Mal mit
meinem Messer einen Strich reingeritzt, wenn wir uns geküsst haben«, sagte
Rico. »Das war das schönste Jahr meines Lebens.«
    Er war offensichtlich
gerührt über die Wiederbegegnung mit der Vergangenheit und seiner ersten großen
Liebe, die offenbar seine einzige geblieben war. Eine Liebe, die hoffnungsfroh
mit heimlichen Schnitzereien begonnen und mit Bruno Schwarzer geendet hatte.
    »Hat die Peggy wirklich
über mich geredet?«, wollte Rico wissen.
    Kiki nickte: »Ich
glaube, sie würde gerne mal wieder mit Ihnen sprechen.«
    Ricos Gesicht glühte
vor Stolz und Rührung. Die gute Nachricht ließ seine neuen Auftraggeber sofort
sympathischer erscheinen: »Ich dachte, Sie wären wie die anderen Westler, die
hierherkommen und sich in den maroden Charme verlieben. Dann sanieren sie alles
kaputt und landen nach einem halben Jahr in der Selbsthilfegruppe für Schlossbesitzer.«
    »Vielleicht waren wir
zu vorsichtig«, gab Kiki zu bedenken. »Wir hätten es machen müssen wie alle
anderen: Radikalumbau. Alles raus. Alles neu. Ich fürchte, ich bin bald reif
für die Runde der Verzweifelten.«
    »Das mit dem Dach ist
nicht so dramatisch«, tröstete Rico. »Ein paar Tage Flickarbeit, dann schaffen
Sie es trocken über die nächsten Stürme. Und wenn ein bisschen Umsatz da ist,
kann man das Dach von Grund auf anpacken.«
    »Der Preis…?«, fragte
Kiki ängstlich.
    »Da werden wir uns
einig. Ich nehme den Schaden auf. Und dann sehen wir weiter.«
    Er drehte sich um und
ging an die Arbeit. Sofort. Es war ein Wunder.
     
    Kiki strahlte Eva an. »Und
wir fahren ins Gartencenter«, konstatierte sie überglücklich. »Ich habe schon
bei OBI angerufen. Dort ist alles rollstuhltauglich.«
    »Nur über meine
Leiche«, winkte Eva ab.
    Für kein Geld der Welt
würde sie sich mit dem geriatrischen Standardmodell in die Öffentlichkeit wagen
und sich wie eine invalide Oma durch Primeln und Ranunkeln schieben lassen. Ein
weiterer Tag auf der Terrasse erschien ihr genauso reizlos. Es sei denn, schoss
ihr durch den Kopf, sie hätte ein wenig Gesellschaft. Männliche Gesellschaft.
    »Ich bleibe hier«,
sagte sie. Sie wusste, dass es ein Fehler war.

37
    »Zweimal kleines
Frühstück«, verkündete Ingrid.
    Statt Blaumann trug die
wuselige Töpferin heute Jeans, einen bunt gestreiften Pullover und dramatisches
Make-up. Die roten Haare fielen ihr locker auf die Schultern. Es machte ihr
offensichtlich Spaß, ihren angestammten Arbeitsplatz zwischen Drehscheibe,
Brennofen und halb fertigen Tonwaren zu verlassen und Gastgeberin zu spielen.
Sie war so beschäftigt mit der komplizierten Bedienung der Kaffeemaschine, dass
sie sogar das Rauchen vergaß. Dabei hatten am frühen Montagmorgen nur zwei
Besucher den Weg in die Minol-Tankstelle gefunden.
    Durchgefroren, müde und
ein bisschen klamm hockten Caroline und Steiner in der Nähe der Heizung.
Caroline ging es so gut wie schon lange nicht mehr. Ihre Verschwörungstheorien
waren kurz vergessen.
    »Ich finde es toll, wie
Sie alle Ihre Freundin unterstützen«, sagte Steiner.
    Caroline biss herzhaft
in das Brötchen, das Ingrid mit Butter und Sanddornmarmelade bestrichen hatte.
»Ist doch selbstverständlich«, grummelte sie.
    Steiner war da anderer
Meinung. »Bei dem Arbeitspensum, das Sie haben? Kein bisschen.«
    Eben noch hatten sie
einträchtig nebeneinander auf dem Hochsitz gesessen, hatten dem schrillen Rufen
der Kiebitze, dem Trommeln des Spechts und dem Gesang von Wasserrallen
gelauscht. Caroline hatte die ewige Jagd der Schwalben nach fliegenden Insekten
belächelt, den Rüttelflug eines Turmfalken beobachtet und das lautlose Schweben
eines Seeadlers bewundert.
    Steiner hatte es
tatsächlich geschafft, ihr einen Einblick in eine unbekannte Welt zu eröffnen. Und
jetzt sprach er über ihr Arbeitspensum? Sie fühlte sich wie in einem
Computerspiel, wenn der Held abstürzte und die Verlierermelodie erklang. Der
Zauber des Morgens war mit einem Schlag dahin.
    »Ich habe Sie
gegoogelt«, gab Steiner zu. Einfach so. Ohne Umschweife. »Wenn ich so einen
Fall hätte, wäre ich auch überarbeitet.«
    Er lächelte sie an, als
wolle er mit

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