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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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an den
riesigen Tischen vorbei. Es gab zu viel von allem und von allem zu viel. Mit
jedem Meter wuchs die Habsucht. Kiki hielt sich krampfhaft an ihrem
Einkaufszettel fest. Im Gartencenter Maß halten zu wollen, war in etwa so, wie
eine Sitzung der Anonymen Alkoholiker in einer Spirituosenhandlung abzuhalten.
Schon an der ersten Abzweigung ging es schief. »Dieses Rot passt perfekt zum
Haus«, rief Kiki und rannte auf eine Batterie Mohnblumen zu. Sie hatte dieses
manische Glimmen in den Augen, das man sonst nur entwickelte, wenn man die
Selbstbedienungshalle von Ikea betrat und durch hundert kleine Mitbringsel vom
rechten Weg gelockt wurde.
    »Und die Margeriten«,
rief Kiki ihren Freundinnen zu, »die könnten wir vorne in die Beete pflanzen.«
    Von der anderen Seite brüllte
Judith: »Hier ist was für die Zimmer.« Das Kaufvirus hatte sie hinterrücks
angefallen. Enthusiastisch wies sie auf zauberhafte Kissen, auf unglaublich
günstige Blumenvasen, romantische Kerzen – und das Geschirr erst. Das war
im Angebot.
    »Lasst uns erst einmal
kaufen, was auf der Liste steht«, mahnte Caroline und stapfte entschieden in
Richtung Freifläche, wo Abertausende Gemüsepflanzen auf eifrige Hobbygärtner
warteten.
    Estelle bemühte sich
redlich hinterherzukommen. Die Anschaffung von Grünzeug schien ein
demokratischer Vorgang zu sein. Großfamilien mit Kind, Kegel und Hund schoben
sich durchs Pflanzenparadies. Estelle floh in den Gang mit heruntergesetzten
Muttertagsgestecken und einer Sonderpartie Gartenfackeln und landete in der
Abteilung »Fix und Fertig«.
    »Lasst uns
Pflanzschalen nehmen«, schlug sie vor. Interessiert inspizierte sie die
Bastkörbe, in denen sich mehrere Frühblüher zu einem farbenfrohen Ensemble
zusammengefunden hatten.
    »Die sind perfekt«,
rief sie. Vielleicht ließe sich die Begrünung der Sandkrugschule ohne weiteren
Muskelkater und dunkle Ränder unter den Fingernägeln bewerkstelligen.
    Eine Antwort bekam sie
nicht. Kiki war verschwunden. Genauso wie Caroline und Judith. Magisch
angezogen von dem ein oder anderen Grünzeug waren die Dienstagsfrauen fünf
Minuten nach Ankunft in alle vier Himmelsrichtungen versprengt.
    Estelle gab ihr Bestes,
die Freundinnen in den riesigen Hallen wiederzufinden. In der Abteilung
Gartenmöbel war sie am Ende ihrer Kräfte. Ermattet ließ sie sich auf der Sonnenliege
»Acapulco« aus tropischem Hartholz (349,60   Euro) nieder. Nur mal Probe liegen, eben die
von den gestrigen Grabungen müden Beine ausstrecken, eine Sekunde die Augen
schließen. Nur eine winzige Sekunde. Von ferne drangen aufgeregte Stimmen an
ihr Ohr.
    »Du findest nichts gut,
was ich will«, keifte eine Frauenstimme. »Wieso muss immer alles so gehen, wie
du willst?«
    »Weil du keinen
Handgriff im Garten tust«, empörte sich die männliche Begleitung.
    Die Stimme kam ihr vage
bekannt vor. Noch bevor sie sie identifizieren konnte, war sie weggedämmert.
Sie träumte von einem jungen Gärtner, der ihr jeden botanischen Wunsch von den
Augen ablas.

39
    »Uns gehört nur die
Stunde«, las Eva. »Und eine Stunde, wenn sie glücklich ist, ist viel.«
    Lustlos blätterte Eva
in dem Buch Fontane für Gestresste , das sich in den
Bücherschrank der Aula verirrt hatte. Besonders entspannend war die Lektüre
nicht. Ihre Stunden krochen im Schneckentempo dahin. Vielleicht war es die
Stille, die sie fertigmachte. In ihrer medizinischen Fachzeitschrift hatte sie
gelesen, dass absolute Stille keine Erholung, sondern Folter war. In einem
Raum, der 99,9 Prozent aller Geräusche wegfilterte, hatte es noch niemand
freiwillig länger als eine Dreiviertelstunde ausgehalten.
    »Dein Körper hat dir
eine Pause verordnet«, hatte Judith ihr klargemacht. »Den Knöchel hast du dir
nur verstaucht, weil du viel zu schnell unterwegs bist.«
    Eva bedauerte, nicht
mehr für Kiki tun zu können. Auf der Tafel stand das Pensum der nächsten Tage:
Gemüsebeet mit neuer Erde versetzen, Setzlinge pflanzen, an der Vorderfront
Blumenrabatten anlegen. Zudem musste der Weg zur Fischerhütte, der von
Brombeeren, Sträuchern und Unkraut überwuchert war, neu angelegt werden. So
viel zu tun. Wenn sie nur einsatzbereit wäre.
    Es gab Leute, denen
taten Pausen gut. Eva war lieber beschäftigt, sonst kam sie ins Grübeln. Wie
sollte das mit ihr und Frido weitergehen? Was blieb von ihrer Ehe, wenn ihr
Alltag nicht mehr von den Kindern dominiert war? Der Zeitpunkt, an dem die
Kinder aus dem Haus gingen, rückte in greifbare Nähe. David

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