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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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waren. Diese angeblichen Krankheiten zeigten Symptome, die jenen der Arsenvergiftung sehr ähnlich waren. Niemals unter Anklage gestellt, diese anderen Todesfälle herbeigeführt zu haben, war Mrs. Bartlett aus der Untersuchungshaft entflohen, indem sie ihren Gefängniswärter mit einer verborgenen Derringer-Pistole überwältigt hatte.
    Die Polizei vermutete offenbar, dass sie nach Frankreich geflohen war, denn jemand hatte Übersetzungen französischer Polizeiberichte aus dem Jahr 1854 angefügt, die sich auf ein Verfahren vor dem Pariser Geschworenengericht bezogen. Eine Florence Murphy, Engelmacherin, mutmaßlich amerikanischer Flüchtling, war dort wegen des Verbrechens der vitriolage , des Bespritzens mit Schwefelsäure zur Entstellung oder Verstümmelung, verhaftet und verurteilt worden. Das Opfer, Marie Lemoine, Ehefrau eines bekannten Seidenhändlers aus Lyon, war anscheinend eine Rivalin gewesen.
    Aber Florence Murphy war während der ersten Woche ihres Gerichtsverfahrens aus dem Gewahrsam und allen späteren französischen Polizeiberichten verschwunden.
    Mallory tauchte seinen Schwamm ins Wasser und benetzte Gesicht, Hals und Achselhöhlen, während ihm trübe Gedanken an Vitriol durch den Kopf gingen.
    Als er seine Schnürsenkel band, schwitzte er schon wieder. Beim Verlassen seines Raumes stellte er fest, dass die ungewöhnliche Sommerhitze sich im gesamten Gebäude ausgebreitet hatte, das sonst ein Ort der Stille und Kühle war. Schwüle Feuchtigkeit lag wie ein unsichtbarer Sumpf über den Marmorböden. Sogar die Palmen zu beiden Seiten der Treppe schienen auf einmal Relikte aus der Jurazeit zu sein. Er wanderte zur Personalkantine, wo vier hartgekochte Eier, Eiskaffee, ein Bückling, ein paar gebratene Tomaten, Hammelfleisch und gekühlte Melone seine Lebensgeister wiederherstellten. Das Essen hier war ziemlich gut, obwohl der Bückling ein bisschen, nun ja … unfrisch gerochen hatte – kein Wunder, bei dieser Hitze. Mallory unterschrieb den Kassenzettel, gab ihn ab und ging los, um seine Post zu holen.
    Er war ungerecht gegen den Bückling gewesen. Außerhalb der Kantine stank es noch schlimmer nach verdorbenen Fisch oder etwas sehr Ähnlichem. In der Eingangshalle hingegen herrschte noch ein Seifenduft vor, Überbleibsel des morgendlichen Aufwischens, aber auch hier begann der schwüle Gestank von etwas Abscheulichem und anscheinend längst Ge storbenem vorzudringen. Mallory kannte den Gestank – er war durchdringend und süßlich, vermischt mit dem fettigen Fäulnisgeruch einer Abdeckerei –, aber er konnte die Erinnerung nicht genauer bestimmen. Er steuerte auf den Empfangsschalter zu. Der ältliche Angestellte begrüßte ihn mit besonderer Höflichkeit; Mallory hatte sich mit großzügigen Trinkgeldern der Loyalität des Personals versichert. »Nichts in meinem Fach?«, fragte Mallory überrascht.
    »Es ist zu klein, Dr. Mallory.« Der Mann bückte sich und hob einen großen Flechtkorb auf den Tresen, bis zum Rand angefüllt mit Briefumschlägen, Zeitungen und Päckchen.
    »Großer Gott!«, rief Mallory. »Es wird jeden Tag schlimmer!«
    Der Mann nickte wissend. »Der Preis des Ruhms, Sir.«
    Mallory war überwältigt. »Ich nehme an, dass ich dies alles lesen muss …«
    »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Sir, ich denke, Sie würden gut daran tun, einen Privatsekretär anzustellen.«
    Mallory grunzte. Er hegte einen Abscheu gegen Sekretäre, Diener, Butler, Zimmermädchen, das ganze Dienstleistungsgeschäft. Seine eigene Mutter war einmal im Dienst gewesen, bei einer reichen Familie in Sussex, in den alten Zeiten, bevor die Radikale Partei an die Macht gelangt war. Die Erinnerung fraß noch immer an ihm.
    Er trug den schweren Korb in einen ruhigen Winkel der Bibliothek und begann, die Post zu sortieren. Zuerst die Zeitschriften: Transactions von der Royal Society, Reptilienkunde, Journal der Dynamischen Systematik, Wissenschaftliche Annalen, Mitteilungen der École des Ordinateurs, mit, wie es schien, einem interessanten Artikel über die mechanischen Probleme mit dem Großen Napoleon … Diese Sache mit den Fachblatt-Abonnements war ihm längst zur Last geworden, doch hielt sie die Verleger und Herausgeber bei Laune, und zufriedene Verleger und Herausgeber waren der Schlüssel zur Platzierung seiner eigenen Artikel.
    Dann die Briefe. Mallory ordnete sie rasch in Stöße. Zuerst die Bettelbriefe. Er hatte den Fehler gemacht, ein paar zu beantworten, die besonders rührend und

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